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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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rauchte wie sie, und sie steckten sich beide eine Zigarette an und bliesen den Escort genüßlich mit Karzinogenen voll. Nach einigen Minuten schweigenden Nikotinkonsums bog Robin von der Landstraße nach Marlborough ab und lenkte den Wagen auf eine schmalere Straße, die hinter dem Dorfpostamt vorbei ins offene Land führte.
    »Ich hab' früher mal hier gearbeitet«, sagte er unvermittelt mit einer kurzen Kopfbewegung in Richtung Postamt. »Damals hatte ich Angst, ich würde da auf ewig festsitzen. Deshalb hab' ich auch mit meiner Ausbildung für die Kriminalpolizei so spät angefangen.« Er warf ihr einen Blick zu. Offenbar ängstlich darauf bedacht, seine Worte näher zu erklären und eventuelle Zweifel, die sie bei ihr hervorgerufen hatten, zu beschwichtigen, fügte er hastig hinzu: »Aber ich hab' ein paar zusätzliche Kurse gemacht, um schneller vorwärtszukommen.«
    »Die erste Untersuchung ist immer die härteste«, sagte Barbara. »Jedenfalls war's bei mir so. Sie machen bestimmt alles prima, Robin.«
    »Eigentlich wollte ich studieren«, erklärte er ernsthaft.
    »Und warum haben Sie's nicht getan?«
    Er öffnete sein Fenster einen kleinen Spalt und schnippte die Asche seiner Zigarette hinaus. »Wegen meiner Mutter«, antwortete er. »Das Asthma, wissen Sie. Sie hat im Laufe der Jahre ein paar schlimme Anfälle gehabt. Ich wollte sie nicht allein lassen.« Wieder sah er zu ihr hinüber. »Das klingt wahrscheinlich, als hinge ich an ihrem Schürzenzipfel.«
    Kaum, dachte Barbara. Sie dachte an ihre eigene Mutter - an ihre beiden Eltern - und die langen Jahre ihres Erwachsenenlebens, die sie vor und nach dem Tod ihres Vaters im Elternhaus in Acton verbracht hatte, Gefangene der Krankheit des einen und des geistigen Verfalls der anderen. Keiner konnte besser als Barbara verstehen, was es hieß, das eigene Leben völlig zurückzustellen. Doch sie sagte nichts von alledem, sondern meinte nur: »Aber jetzt hat sie ja Sam. Da winkt Ihnen die Freiheit.«
    »Sie meinen, ›Bübel‹?« fragte er mit grimmigem Spott. »O ja. Natürlich. Wenn aus der Heirat was wird, bin ich frei. Wenn was daraus wird.«
    Er klang wie ein Mann, der der Freiheit schon mehr als einmal nahe gewesen war, nur um seine Hoffnungen und Pläne vereitelt zu sehen. Celia, dachte Barbara, mußte eine unerschütterliche Optimistin sein.
    Die kleine Straße führte über den Buckel einer Brücke, die den Kennet & Avon-Kanal überspannte. »Wilcot«, bemerkte Robin mit einem Blick auf die wenigen strohgedeckten Häuser, die an den Ufern des Kanals aufgefädelt waren wie mißgestaltete Perlen. Bis zu ihrem Bestimmungsort sei es jetzt nicht mehr weit, fügte er hinzu, und Barbara warf im Licht der Armaturenbeleuchtung einen Blick auf ihre Uhr, um zu sehen, wie sie in der Zeit lagen. Es war vier Uhr zweiundfünfzig. Ganz nach Plan, dachte sie.
    Sie fuhren tiefer ins freie Land hinein, und die Straße krümmte sich nach Westen. Im Süden dehnten sich Kornfelder bläulichgrün unter dem dunklen Himmel, im Norden erhoben sich wellige Hügel, über deren Flanken sich in erstarrtem Galopp eins der weißen Kreidepferde Wiltshires streckte, eine geisterhafte Erscheinung in der morgendlichen Düsternis.
    Als sie den Weiler Allington erreichten, ging das Schwarz des Himmels langsam in ein Grau über, das Barbara an die Tauben auf dem Trafalgar Square erinnerte. »Jetzt sind wir gleich da«, sagte Robin, doch anstatt auf direktem Weg zu ihrem Ziel zu fahren, umrundete er zuerst den ganzen Weiler, um ihr die beiden Zufahrten zu zeigen, die es von der Hauptstraße gab. Die eine befand sich weiter nördlich und führte an der Park Farm und ein paar rauh verputzten Häusern mit roten Schindeldächern vorbei. Die andere war näher bei Wilcot und der Straße, auf der sie gekommen waren, und durchschnitt die Manor Farm, deren Häuser und Nebengebäude hinter grün überwachsenen Backsteinmauern zusammengedrängt waren.
    Beide Zufahrten trafen sich in einem holprigen Fahrweg, der, wie Robin ihr erklärte, während sie auf ihm dahinrumpelten, direkt zu ihrem Ziel am Kanal führte.
    Barbara nickte zerstreut, ganz darauf konzentriert, sich die Gegend genau anzusehen. Selbst um fünf Uhr morgens hatte in drei der Häuser Licht gebrannt. Es war zwar kein Mensch unterwegs, aber wenn früher in der Woche hier um diese Zeit ein Auto vorbeigefahren war, hatte es vielleicht jemand gehört oder sogar gesehen. Es bedurfte vielleicht nur der richtigen Frage, um eine Erinnerung zu

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