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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Charlottes Tod. Mit jeder Handvoll Sand, die durch das Stundenglas rann, wurde die Fährte kälter, wurden die Erinnerungen der Leute blasser und die Aussichten, den Fall aufzuklären, trüber. Das alles wußte Barbara. Dennoch verspürte sie einen starken Drang, all das noch einmal gründlich zu überprüfen, was doch bereits überprüft worden war. Warum? fragte sie sich. Aber sie wußte die Antwort. Hier war ihre Chance, sich zu beweisen - geradeso, wie es Constable Paynes Chance war -, und sie war entschlossen, das Beste daraus zu machen.
    Doch dieser Drang, alles noch einmal nachzuprüfen, diente weder Charlotte Bowens Eltern noch der Gerechtigkeit. Darum sagte sie: »Wenn Sie hier nichts gefunden haben ...«
    »Überhaupt nichts«, sagte er.
    »Dann halten wir uns an das, was wir haben.« Sie waren ein paar Meter am Kanal entlanggegangen bis zu der Stelle, wo das tote Kind dicht am Schilf im Wasser gelegen hatte. Jetzt ging Barbara Robin Payne voraus zur Brücke zurück, einem aus Ziegel gemauerten Bogen, unter dem ein Stück Beton einen schmalen Sims über dem Wasser bildete. Sie schnippte ihre Zigarette in den Kanal und sagte, als sie sah, wie Robin zusammenzuckte: »Tut mir leid, aber es ist immer noch nicht hell genug, und ich muß sehen ...« Das Wasser floß in westlicher Richtung. »Zwei Möglichkeiten«, sagte sie und schlug mit der Hand an den Brückenbogen, der sich über ihren Köpfen wölbte. »Er parkt oben, rennt mit der Leiche den Weg runter unter die Brücke. Da wäre er innerhalb von - na, sagen wir, zehn Sekunden außer Sicht gewesen. Er wirft die Leiche hier ins Wasser, und die Strömung treibt sie rüber zum Schilf.«
    Sie kehrte zum Treidelweg zurück. Robin folgte ihr. Im Gegensatz zu ihr drückte er seine Zigarette am Absatz seines Schuhs aus und steckte den Stummel ein.
    Angesichts eines derart ausgeprägten Umweltbewußtseins bekam Barbara arge Gewissensbisse und das Gefühl, sie müßte sofort ins Wasser springen und ihren Stummel herausholen. Aber das verkniff sie sich und sagte statt dessen: »Oder er hat sie in einem Boot hierhergebracht. Er hat sie hinten - wie nennt man das, den Bug? das Heck?«
    »Das Heck.«
    »Gut. Er hat sie am Heck ins Wasser runtergelassen und ist weitergeschippert wie ein ganz gewöhnlicher Urlauber.«
    »Das heißt dann, daß wir auch sämtliche Bootsverleihe überprüfen müssen.«
    »Ja, so sieht's aus. Hat Sergeant Stanley dafür ein Team eingesetzt?«
    Er biß die Zähne mit einem Klappern zusammen, wie er das am Abend zuvor getan hatte, als sie über Sergeant Stanleys Art, die Ermittlungen zu leiten, gesprochen hatten.
    »Heißt das nein?«
    »Heißt was -?« Er sah sie verdutzt an.
    »Das, was Sie da mit Ihren Zähnen tun.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und lachte kurz auf. »Ihnen entgeht aber auch gar nichts. Da muß ich in Zukunft vorsichtig sein.«
    »So ist es. Aber kommen wir auf den Sergeant zurück ... Na los, Robin. Das hier ist keine Loyalitätsprüfung. Ich muß über den Stand der Dinge Bescheid wissen.«
    Seine ausweichende Antwort lieferte ihr die Informationen, die sie haben wollte. »Wenn's Ihnen recht ist, würde ich mich heute gern ein bißchen umschauen. Sie haben doch mit der Obduktion zu tun, stimmt's? Und danach will Sergeant Stanley bestimmt mit Ihnen sprechen. Sie müssen im Auftrag des Yard Fragen klären. Sie müssen telefonieren und mit Leuten reden. Sie müssen Berichte schreiben. Ich seh' das so: Ich könnte Sie natürlich rumfahren - ich tue das gern, glauben Sie mir - und Ihre rechte Hand sein, oder ich könnte selbst was unternehmen und Augen und Ohren offenhalten. Da draußen.« Er hob sein Kinn und wies in Richtung des Weges, des Autos, der weiteren Umgebung.
    Sie mußte sein diplomatisches Geschick bewundern. Wenn sie wieder in London war, würde er weiter mit Sergeant Stanley zusammenarbeiten müssen. Sie wußten beide, daß die Pflege dieser Beziehung für ihn erste Priorität haben mußte, wenn er bei der Kriminalpolizei vorwärtskommen wollte.
    »In Ordnung«, sagte sie. »Das ist mir recht.« Sie kletterte die Böschung hinauf zum Weg. Hinter sich hörte sie seine schweren Schritte. Oben blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um.
    »Robin«, sagte sie, »ich bin sicher, Sie werden Ihre Sache großartig machen.«
    Seine Zähne blitzten auf, als er lächelte. Dann senkte er hastig den Kopf. Barbara war überzeugt, sie hätte ihn erröten sehen, wenn das Licht besser gewesen wäre.

    »Ich

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