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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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schwöre Ihnen, ich war's nicht«, beteuerte Mitchell Corsico hitzig. »Was glauben Sie denn? Daß ich verrückt bin? Ich säg' doch nicht selber den Ast ab, auf dem ich sitze!« Aufgeregt zog er seine Jeans hoch, während er in Rodney Aronsons kleinem Büro herumtigerte. Rodney, der hinter seinem Schreibtisch saß, beobachtete den jungen Reporter schweigend und lauschte dem Knarren seiner Cowboystiefel. Er streifte das Papier von einer Tafel Luftschokolade - wobei er dieser delikaten Angelegenheit die gebührende Aufmerksamkeit widmete - und schob sich einen Riegel in den Mund.
    »Ich kann's nicht ändern, Mitch, ich muß immer an Ihre gestrigen Drohungen denken«, sagte er, den Schokoladenriegel in der Backentasche. »Sie werden unsere Besorgnis zweifellos verstehen.«
    Das Wort »unsere« entging Corsico nicht. »Sie haben Luxford doch nicht etwa gesagt, was ich ... Gott, Rodney, Luxford glaubt doch nicht etwa, daß ich die Seiten gewechselt habe? Sie wissen, daß ich nur Dampf abgelassen habe.«
    »Hm«, meinte Rodney. »Aber das ändert nichts an der Tatsache ...«
    Statt den Satz zu vollenden, hob er die Morgenausgabe des schärfsten Konkurrenzblatts der Source in die Höhe. Auf der Titelseite des Globe prangte neben einem Telefoto, das die Abgeordnete Eve Bowen beim Verlassen ihres Wagens vor ihrem Haus in Marylebone zeigte, die riesige schwarze Schlagzeile: Abgeordnetentochter entführt - Keine Meldung bei der Polizei! Das Blatt hatte eben die Story, die Mitchell Corsico am vergangenen Nachmittag präsentiert hatte - und die Luxford kategorisch abgelehnt hatte - ganz groß herausgebracht.
    »Jeder hätte sich die Information beschaffen können«, argumentierte Corsico. »Ich war vielleicht der erste am Ort -«
    »Vielleicht?«
    »Okay, verdammt noch mal. Ich war als erster dort. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich der einzige bin, mit dem die Haushälterin gequatscht hat. Die war so niedergeschmettert, als würd sich's um ihr eigenes Kind handeln. Die hätte jedem ihr Herz ausgeschüttet, der sich ein bißchen teilnehmend zeigte.«
    »Hm«, sagte Rodney wieder. Er hatte schon vor langer Zeit die Erfahrung gemacht, daß ein in nachdenkliche Falten gelegtes Gesicht denselben Effekt wie echte Nachdenklichkeit hatte. Nachdem er also das tiefer Nachdenklichkeit entsprechende Geräusch von sich gegeben hatte, legte er Daumen und Zeigefinger seiner beiden Hände zu einer Raute zusammen und stützte sein Kinn auf die Spitze dieses Gebildes. »Was kann man da tun?« murmelte er.
    »Wie meinen Sie das?« fragte Corsico scharf. »Hat Luxford das gesehen?«
    Statt einer Antwort zog Rodney eine Schulter hoch.
    »Ich werde mit ihm reden. Er hat gemerkt, daß ich stocksauer war, aber er weiß auch, daß ich niemals eine Story an die Konkurrenz weitergeben würde.«
    »Der Bericht hat keine Verfasserangabe, Mitch. Ihnen muß doch klar sein, wie das aussieht.«
    Corsico packte die Zeitung, die auf Rodneys Schreibtisch lag, und überflog die erste Seite. Unter der Schlagzeile, wo man einen Exklusivbericht von Joe Reporter erwartet hätte, war nichts. Er schmiß das Blatt wieder hin. »Wollen Sie vielleicht behaupten, ich hätte die Story dem Globe gegeben, darum gebeten, daß sie sie bringen, ohne meinen Namen zu nennen, und angekündigt, daß ich bei ihnen anfangen würde, sobald ich Luxford gekündigt habe? Also wirklich, Rodney. Überlegen Sie doch mal. Wenn ich das wollte, hätte ich den ganzen Krempel schon gestern abend hingeschmissen, und Sie säßen jetzt hier und könnten meinen Namen auf der Titelseite dieses Käseblatts lesen.«
    Er begann wieder herumzutigern. Draußen im Nachrichtenraum ging alles seinen gewohnten Gang, doch die Blicke, die immer wieder zur Glaswand seines Büros flogen, verrieten Rodney, daß außer ihm noch andere vom Coup des Globe wußten. Die Leute senkten hastig die Köpfe, wenn er zu ihnen hinsah. Sie empfanden alle dasselbe, sie waren wütend und kamen sich vor wie die letzten Idioten. Von der Konkurrenz durch eine Erstmeldung ausgestochen zu werden war so schlimm, wie ungewollt eine Ente zu produzieren. Schlimmer noch. Zeitungen ließen sich trotz Enten verkaufen.
    Rodney schälte das nächste Stück Schokolade aus der Verpackung. Er steckte es in den Mund und schob es mit der Zunge an seinen Platz. Sein Zahnarzt hatte ihm gesagt, wenn er nicht aufhöre, sich die Backentaschen ständig mit Schokolade zu füllen, werde er mit sechzig keine Zähne mehr im Mund haben. Na, und

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