08 - Im Angesicht des Feindes
Zweihundertzwanzigtausend über ihrer täglichen Auflage, Dennis. Aber das ist es nur zum Teil, was mich hierherführt.«
Ogilvie hatte sich nie in das tägliche Geschäft der Zeitung eingemischt. Er hatte Wichtigeres zu tun, als sich um den Alltag der Source zu kümmern, und äußerte Kritik oder Wünsche im allgemeinen von seinem feudalen Büro in seinem Haus in Hertfordshire aus. Ihn interessierte einzig und allein, was unter dem Strich herauskam, wenn Gewinn und Verlust abgerechnet waren.
Außer der Nachricht, die Gewinne der Zeitung seien drastisch abgesunken, gab es nur einen Grund, der Ogilvie veranlassen konnte, die Londoner Redaktion der Source persönlich aufzusuchen. Von der Konkurrenz mit einer Erstmeldung ausgestochen zu werden gehörte im Zeitungsgeschäft zum Alltag, und Ogilvie, der, wie es manchmal schien, seit Charles Dickens' Zeiten im Geschäft war, wäre der erste gewesen, das zuzugeben. Aber bei einer Story das Nachsehen zu haben, die dazu geeignet war, die Tories anzuschwärzen, war absolut inakzeptabel.
Luxford wußte natürlich sofort, was Ogilvie ihm da in die Hand gedrückt hatte. Es war die Morgenausgabe seiner früheren Zeitung, des Globe, mit ihrer Schlagzeile über das Versäumnis Eve Bowens, sich nach der Entführung ihrer Tochter mit der Polizei in Verbindung zu setzen.
»Letzte Woche waren wir mit der Geschichte über Larnsey und seinen Strichjungen sämtlichen Blättern im Land voraus«, sagte Ogilvie. »Fallen wir diese Woche etwa zurück?«
»Nein. Wir hatten die Story. Ich habe sie abgesetzt.«
Ogilvies Reaktion beschränkte sich auf ein flüchtiges Zusammenkneifen der Augen, das wie ein Muskelzucken wirkte.
»Geht es hier um Loyalität, Dennis? Sind Sie dem Globe aus irgendeinem Grund noch immer verbunden?«
»Möchten Sie einen Kaffee?« fragte Luxford.
»Eine einleuchtende Erklärung reicht mir, danke.«
Luxford ging zum Konferenztisch und setzte sich. Er bedeutete Ogilvie mit einem Nicken, das gleiche zu tun. Er hatte den Posten bei der Source nicht übernommen, ohne zu wissen, daß jedes Anzeichen von Schwäche im Beisein des Aufsichtsratsvorsitzenden tödlich sein konnte.
Ogilvie trat an den Tisch und setzte sich.
»Ich höre«, sagte er.
Luxford berichtete. Er gab sein Gespräch mit Mitch Corsico wieder und nannte seine Gründe dafür, daß er die Story abgesetzt hatte. Als er zum Ende gekommen war, griff Ogilvie sofort den entscheidenden Punkt auf.
»Sie haben früher auch schon Berichte gebracht, ohne sich vorher nach allen Seiten hin abzusichern. Was hat Sie diesmal davon abgehalten?«
»Bowens Position im Innenministerium. Meiner Ansicht nach war mit Recht zu vermuten, daß sie ihre zuständige Polizeidienststelle übergangen und sich direkt an New Scotland Yard gewendet hatte. Ich wollte sie auf keinen Fall öffentlich der Tatenlosigkeit anklagen, um dann wie ein begossener Pudel dazustehen, wenn irgendeine Leuchte vom Yard für sie in die Bresche gesprungen wäre, uns seinen Terminkalender unter die Nase gehalten und behauptet hätte, sie hätte sich binnen zehn Minuten, nachdem sie von der Entführung des Kindes erfahren hatte, bei ihm gemeldet.«
»Aber das ist nach Veröffentlichung der Story im Globe nicht passiert«, entgegnete Ogilvie.
»Ich kann nur vermuten, daß die Leute vom Globe von irgend jemandem im Yard Bestätigung erhalten haben. Ich habe Corsico Anweisung gegeben, sich eine solche Bestätigung zu besorgen. Hätte er sie mir gestern abend vor zehn vorgelegt, hätte ich den Bericht gebracht. Er hat es nicht getan, also habe ich es gelassen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Doch, eins noch«, widersprach Ogilvie.
Luxford war sofort mißtrauisch. Aber er zeigte es nicht, sondern lehnte sich scheinbar kühl und gelassen in seinem Sessel zurück und faltete die Hände über seinem Bauch. Er bat Ogilvie nicht, ihm eine nähere Erklärung zu geben. Er wartete schweigend, bis der andere fortfuhr.
»Wir haben bei Larnsey erstklassige Arbeit geleistet«, sagte Ogilvie. »Und das, ohne erst lange nach einer Bestätigung der Geschichte zu fragen. Habe ich recht?«
Es hatte keinen Sinn zu lügen, da ein Gespräch mit Sarah Happleshort oder Rodney Aronson ausreichen würde, um die Wahrheit aufzudecken. »Ja, da haben Sie recht.«
»Dann versprechen Sie mir eins. Beruhigen Sie meine Zweifel. Versprechen Sie mir, daß Sie das nächstemal, wenn wir diese Brüder, die Konservativen, am Schlafittchen haben, auch zupacken werden, daß Sie es
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