08 - Im Angesicht des Feindes
hätte sie gebracht, wenn sie es zugelassen hätte.«
»Zweifellos«, sagte Lynley.
Der trockene Ton machte Luxford aufmerksam. Er sah Lynley scharf an. »Warum sind Sie hier?«
»Um uns mit Ihnen über Baverstock zu unterhalten.«
»Baverstock? Was, in Gottes Namen ...?« Luxford wandte sich Nkata zu, als erwarte er von ihm eine Antwort. Doch Nkata zog sich nur einen Sessel heraus und setzte sich. Er griff in seine Tasche und nahm Notizbuch und Stift heraus, klappte das Buch auf und zückte den Stift, um Luxfords Worte mitzuschreiben.
»Sie sind mit elf Jahren nach Baverstock gekommen«, sagte Lynley. »Sie waren bis zu Ihrem siebzehnten Lebensjahr dort. Als Internatsschüler.«
»Ja und? Was hat das mit Charlotte zu tun? Sie sagten doch eben, es handle sich hier um Charlotte.«
»In dieser Zeit gehörten Sie einer Gruppe an, die sich die Becherforscher nannte, einer Vereinigung von Amateurarchäologen. Ist das richtig?«
»Mein Gott, ich hab' eben gern ein bißchen im Dreck herumgegraben. Wie die meisten Jungen. Ich verstehe nicht, inwiefern das für die Untersuchung von Bedeutung sein soll.«
»Diese Vereinigung - die Becherforscher - hat sich für alle möglichen Relikte der Vergangenheit in der ganzen Umgebung interessiert, nicht wahr? Für Hügelgräber, Erdwälle, Steinkreise und dergleichen, richtig? Und Sie lernten die Region auf diese Weise sehr genau kennen.«
»Ja und? Ich verstehe immer noch nicht, was das mit Ihren Ermittlungen zu tun hat.«
»Sie waren in Ihren letzten zwei Schuljahren der Vorsitzende der Vereinigung, nicht wahr?«
»Ich war zur gleichen Zeit Herausgeber unserer beiden Schulzeitungen, des Bavernian Biannual und des Oracle. Und um Ihr Bild über den Schüler Luxford abzurunden, Inspector, ich habe es trotz verzweifelter Versuche nie geschafft, ins erste Cricketteam zu kommen. So, und jetzt sagen Sie mir, habe ich etwas ausgelassen?«
»Nur eine Kleinigkeit«, antwortete Lynley. »Den Ort der Schule.«
Luxford zog einen Moment die Augenbrauen zusammen. Der Ausdruck seiner Augen hatte etwas Spekulatives.
»Wiltshire«, erläuterte Lynley. »Das Internat Baverstock ist in Wiltshire, Mr. Luxford.«
»In Wiltshire sind viele Dinge«, entgegnete Luxford. »Und die meisten davon sind weitaus bemerkenswerter als Baverstock.«
»Dem will ich gar nicht widersprechen. Aber sie haben nicht Baverstocks Vorteil.«
»Und welcher Vorteil wäre das?«
»Der Vorteil, keine zwölf Kilometer von der Stelle entfernt zu sein, an der Ihre Tochter gefunden wurde.«
Langsam legte Luxford die Tabelle, die er in der Hand behalten hatte, zu den anderen auf den Tisch. Er nahm Lynleys Worte schweigend auf. Von der Straße elf Stockwerke unter ihnen drang das Sirenengeheul eines Rettungswagens zu ihnen herauf.
»Ein bemerkenswertes Zusammentreffen, finden Sie nicht?« fragte Lynley schließlich.
»Das ist aber auch alles, und das wissen Sie.«
»Ich möchte mich da nicht auf Ihr Wort verlassen.«
»Sie können doch nicht im Ernst glauben, ich hätte mit Charlottes Entführung zu tun! Diese Vorstellung ist Wahnsinn.«
»Welcher Teil der Vorstellung? Daß sie an Charlottes Entführung Anteil gehabt haben sollen? Oder an ihrem Tod?«
»Die ganze Vorstellung. Wofür halten Sie mich eigentlich?«
»Für einen Mann, dem die Auflage seiner Zeitung äußerst wichtig ist. Folglich für einen Mann, der immer nach einem Knüller sucht, den sonst keiner hat.«
Trotz seiner Beteuerungen und obwohl er vielleicht Gründe hatte, etwas vor Lynley zu verbergen, sah Luxford flüchtig zu den Diagrammen und Aufstellungen hinunter, in denen die Daten zusammengefaßt waren, von deren Entwicklung seine Zeitung und seine Stellung abhingen. Dieser eine kurze Blick verriet Lynley mehr als alles, was er vielleicht gesagt hätte.
»Irgendwann«, fuhr Lynley fort, »muß Charlotte in einem Fahrzeug aus London weggebracht worden sein.«
»Ich hatte nichts damit zu tun.«
»Dennoch würde ich mir gern Ihren Wagen ansehen. Steht er in der Nähe?«
»Ich verlange einen Anwalt.«
»Aber gewiß.«
Luxford ging durch das Zimmer zu seinem Schreibtisch. Er schob ein Bündel Papiere zur Seite und zog ein in Leder gebundenes Telefonbuch heraus, das er mit einer Hand aufschlug, während er mit der anderen den Hörer seines Telefons abhob.
Lynley ließ ihn zwei Zahlen eintippen, ehe er sagte: »Constable Nkata und ich müssen natürlich auf ihn warten. Es wird wohl einige Zeit dauern, bis er kommt. Wenn Sie sich also Sorgen
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