08 - Im Angesicht des Feindes
Lark's Haven seelisch vorzubereiten. Corrine Payne hatte ihr einen Hausschlüssel gegeben, darum ging sie nicht wie mit Robin am Abend zuvor durch die Küche, sondern betrat das Haus durch die vordere Tür. Im Wohnzimmer brannte Licht, und als sie den Schlüssel drehte und die Tür aufstieß, rief Corrine mit ihrer pfeifenden Asthmatikerstimme: »Robbie? Komm herein, mein Junge! Hier wartet eine Überraschung auf dich.«
Barbara blieb wie angewurzelt stehen. Ein Schauder überrann sie. Allzuoft hatte sie bei ihrer Heimkehr in das Haus in Acton einen ähnlichen Ruf vernommen - Barbie? Barbie? Bist du das, Barbie? Komm, schau! Schau doch mal! Und allzuoft war sie dem Ruf gefolgt und hatte ihre Mutter in einer der Phantasiewelten ihrer zunehmenden geistigen Verwirrung angetroffen: Etwa bei der Planung einer Urlaubsreise in ein Land, das sie niemals kennenlernen würde, oder beim liebevollen Zusammenfalten der Kleidungsstücke ihres Sohnes, der schon bald zwei Jahrzehnte tot war, oder auch mit gespreizten Beinen auf dem Küchenboden sitzend, wo sie auf dem schmutzigen gelben Linoleum aus Mehl und Zucker und Marmelade einen Kuchenteig machte.
»Robbie?« Corrines Stimme klang atemlos, als wären ein paar Minuten mit dem Inhalator angebracht. »Bist du das, Schatz? Mein Sammy ist gerade gegangen, aber wir haben noch Besuch, und ich habe ihr verboten zu gehen, bevor du zu Hause bist. Du wirst sie bestimmt gleich sehen wollen.«
»Ich bin's, Mrs. Payne«, rief Barbara. »Robin arbeitet noch.«
Corrines »Oh!« sprach Bände. Ach, es ist nur diese faule Person, sagte ihr Ton. Sie saß an einem Spieltisch, der in der Mitte des Wohnzimmers aufgestellt war, bei einer Partie Scrabble. Ihre Partnerin war eine attraktive junge Frau mit sommersprossigem Gesicht und modisch geschnittenem hellblonden Haar. In einem Wandregal auf der anderen Seite des Zimmers lief der Fernsehapparat ohne Ton. Sky Television zeigte einen alten Film mit Elizabeth Taylor. Barbara verfolgte einen Moment die Vorgänge auf dem Bildschirm. Die Taylor in Wolken von Chiffon, Peter Finch im Smoking, eine schreiend künstliche Dschungel-Atmosphäre und ein finster dreinblickender eingeborener Butler. Elefantenpfad, dachte sie. Sie liebte die Szene - Höhepunkt des Films -, wenn die Dickhäuter Peter Finchs Villa schließlich zu Kleinholz machten.
Ein dritter Stuhl stand am Spieltisch, und auch das kleine Bänkchen für die Scrabble-Buchstaben stand noch dort, wo bis vor kurzem Sam Coreys Platz gewesen war. Corrine bemerkte Barbaras Blick zu dem freien Platz und nahm wie nebenbei das Bänkchen weg, damit Barbara nicht auf den Gedanken käme, sich zu einem Kämpfchen um doppelte und dreifache Wortwerte niederzulassen.
»Das ist Celia«, stellte Corrine ihren Gast vor. »Ich habe vielleicht schon erwähnt, daß sie Robbies -«
»Bitte, Mrs. Payne. Nicht.« Celia lachte verlegen und bekam einen roten Kopf. Sie war füllig, aber nicht dick, die Art Frau, die man auf Gemälden mit dem Titel Odaliske in unbefangener Nacktheit auf üppigen Diwanen liegen sieht.
Das ist also die zukünftige Schwiegertochter, dachte Barbara. Aus irgendeinem Grund empfand sie die Erkenntnis, daß Robin Payne kein Mann war, der eine Frau mit dem Körper eines Besenstiels brauchte, als wohltuend.
Sie bot der jungen Frau über den Tisch hinweg die Hand und sagte: »Barbara Havers, New Scotland Yard.« Dann fragte sie sich, warum sie diesen Zusatz gemacht hatte, als hätte sie keine andere Identität.
»Sie sind wegen dieses kleinen Mädchens hier, nicht?« fragte Celia. »Das ist ja wirklich eine furchtbare Geschichte.«
»Ja, wie jeder Mord.«
»Aber unser Robbie wird der Sache schon auf den Grund gehen«, erklärte Corrine wacker. »Das wär ja gelacht.« Sie klatschte zwei Buchstaben auf das Brett, ein R und ein E, die sie an ein N anlegte. Mit pedantischer Genauigkeit zählte sie ihre Punkte zusammen.
»Arbeiten Sie mit Rob zusammen?« erkundigte sich Celia. Sie griff nach einem der Kekse auf einem Streublümchenteller, der am Tischrand stand. Zierlich biß sie hinein. Barbara hätte sich das ganze Ding auf einmal in den Mund gestopft, ein paarmal kräftig gekaut und es mit der nächstbesten Flüssigkeit hinuntergespült. In diesem Fall wäre es Tee gewesen, der in einer Kanne unter einer wattierten Haube bereitstand. Der Teewärmer war, wie alles andere im Haus, eine einzige Blütenpracht. Barbara fiel auf, daß Corrine keine Anstalten machte, ihn zu entfernen, um ihr eine
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