08 - Im Angesicht des Feindes
Ironie gar nicht.
»Unsere Auflage wird jetzt natürlich einen Riesensprung machen«, meinte Corsico. »Und der große Vorsitzende wird Luxford in den Arsch kriechen. Aber unsere Auflage ist doch sowieso ständig gestiegen, seit Luxford bei uns angefangen hat. Warum hat er das also getan? Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
»Es bedeutet«, sagte Rodney, winkte dem Kellner und schob seinen Stuhl zurück, »daß die Schießerei offiziell beendet ist. Fürs erste jedenfalls.«
Corsico sah ihn verständnislos an.
»Sie wissen doch, die mit den schwarzen Hüten und die mit den weißen?« erklärte Rodney. »Dodge City, Tombstone, der O.K. Corral? Ganz egal, wo. Es kommt immer aufs gleiche raus, Mitchell.«
»Was denn?« fragte Corsico.
Rodney warf einen Blick auf die Rechnung, die der Kellner ihm hingelegt hatte, und nahm sein Geld heraus. Mit der Zwanzig-Pfund-Note, die er auf den Tisch warf, schien er das Handtuch zu werfen. »Die mit den schwarzen Hüten haben gesiegt«, sagte er.
23
Kaputt allein reichte nicht, um zu beschreiben, wie Barbara Havers sich fühlte, als sie am Ende der Einfahrt zu Lark's Haven den Motor ihres Mini ausschaltete. Sie war fertig, erledigt, erschossen und ausgebrannt. Teilnahmslos hörte sie mit an, wie der Motor noch gut fünfzehn Sekunden vor sich hin rülpste, ehe er endlich den Folgen des Benzinentzugs erlag. Als dieses Wunder moderner Technik endlich geschah, schaltete sie die Scheinwerfer aus und drückte die Wagentür mit einem kräftigen Schulterstoß auf. Aber sie stieg nicht aus.
Der Tag war größtenteils ein Flop gewesen und hatte sich am Schluß zu einem regelrechten Schlamassel ausgewachsen. Sie hatte mit Lynley telefoniert und in einem Gespräch, das aus Lynleys knapper Auflistung der Fakten einerseits und ihren eigenen, mit steigender Erregung hervorgestoßenen Ausrufen der Ungläubigkeit und des Entsetzens andererseits bestanden hatte, von Leo Luxfords Verschwinden erfahren. Sie hätten nicht einen einzigen Hinweis auf den Verbleib des achtjährigen Jungen, hatte Lynley ihr am Ende mitgeteilt, und nur das Wort seines Vaters dafür, daß das Kind überhaupt am Telefon gewesen sei.
»Und was glauben Sie?« fragte Barbara. »Stinkt der gute Luxford nicht zum Himmel?«
Lynleys Antwort war kurz. Sie könnten es nicht riskieren, das Verschwinden des Jungen anders als eine Entführung zu behandeln, erklärte er. Und genau das gedenke er hier in London zu tun, selbstverständlich ohne die Ermittlungen im Fall Bowen zu vernachlässigen. Sie solle die Morduntersuchung in Wiltshire weiterführen. Es gebe kaum einen Zweifel daran, daß die beiden Fälle in engem Zusammenhang stünden. Danach wollte er wissen, was sie denn inzwischen zu bieten habe.
Sie mußte das Schlimmste eingestehen. Nach ihrem letzten Zusammenstoß mit Sergeant Stanley wegen der Entsendung des Spurensicherungsteams nach Ford hatte sie den Freunden bei der Kriminalpolizei in Amesford erst einmal klargemacht, wer hier das Sagen hatte. Der Detective Sergeant hatte sich deshalb mächtig auf den Schlips getreten gefühlt, und sie hatte wegen seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft eine kleinere Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten gehabt. Sie erzählte Lynley nichts vom Feuerzeug des Sergeants oder seinem Verhalten ihr gegenüber. Lynley hätte wenig Teilnahme gezeigt. Er hätte höchstens gesagt, wenn sie sich in einer vornehmlich von Männern beherrschten Welt durchsetzen wolle, müsse sie austeilen lernen und dürfe nicht erwarten, daß ihr Vorgesetzter bei New Scotland Yard das für die übernähme.
»Aha«, meinte er. »Alles wie üblich, hm?«
Sie hatte den kläglichen Tagesbericht mit den verbleibenden Informationen abgeschlossen. Es war ihr gelungen, das Spurensicherungsteam nach Ford in Marsch zu setzen, wo es das Taubenhaus auf Alistair Harvies Bauernhof unter die Lupe nehmen sollte, das auf den ersten Blick so vielversprechend ausgesehen hatte. Harvies Frau hatte ihr äußerst hilfsbereit die Erlaubnis erteilt, das Gebäude von den Beamten untersuchen zu lassen, doch das hatte Barbara nicht zu der Schlußfolgerung verleiten können, der Abgeordnete sei das reine Unschuldslamm und habe mit der Entführung und Ermordung von Charlotte Bowen nichts zu tun. Sie folgerte vielmehr, daß Harvies Frau entweder eine glänzende Schauspielerin sei oder von den verwerflichen Aktivitäten ihres Mannes keine Ahnung habe. Es war zwar schwer zu glauben, daß es möglich gewesen sein sollte, in dem
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