08 - Im Angesicht des Feindes
antwortete der Colonel.
26
Als Barbara Havers St. Bernard gefunden hatte, fühlte sie, daß sie der Wahrheit näher kam. Das Dorf bestand aus einer Ansammlung von Bauernhöfen, kleinen Häusern und Stallungen, die an fünf im Ortskern zusammenlaufenden schmalen Straßen und holprigen Fahrwegen verteilt waren. Es hatte eine Quelle, einen Brunnen, ein winziges Postamt und eine Kirche. Diese Kirche hatte den Basar veranstaltet, auf dem Howard Short an der Ramschbude die Schuluniform Charlotte Bowens in einem Sack Lumpen erstanden haben wollte.
Aber es war nicht die Kirche, die Barbaras Interesse erregte. Es war die Lage des Dorfes selbst. Nicht einmal einen Kilometer südlich von ihm zog sich der Kennet & Avon-Kanal still und friedlich durch Wiesen und Maisfelder in Richtung Allington, das wenig mehr als drei Kilometer entfernt im Westen lag. Barbara unternahm eine kurze Rundfahrt um das Dorf, um sich dieser Einzelheiten zu vergewissern, ehe sie die Kirche ansteuerte. Als sie ihren Mini abgestellt hatte, ausgestiegen war und den Jauchegeruch in der Luft wahrgenommen hatte, war sie fest davon überzeugt, dem Killer auf der Spur zu sein.
Sie traf den Pastor und seine Frau im Garten eines Hauses mit schmalen hohen Fenstern an, das ein Schild als das Pfarrhaus auswies. Sie lagen beide vor einem üppig bepflanzten Blumenbeet auf den Knien, und im ersten Moment glaubte Barbara, sie seien ins Gebet vertieft. In respektvollem Abstand blieb sie am Tor stehen, bis sie die Stimmen der beiden hörte.
Der Pastor sagte gerade: »Die Ranunkeln müßten eine Pracht werden, meine Liebe, wenn das Wetter mitmacht.«
Worauf seine Frau antwortete: »Aber mit den Maiglöckchen ist es vorbei. Die mußt du herausziehen. Bis zum Damenkränzchen möchte ich den Garten unbedingt in Ordnung haben, Schatz.«
Als sie diesen eindeutig untheologischen Austausch hörte, rief Barbara einen Gruß und stieß das Tor auf. Der Pastor und seine Frau richteten sich auf und setzten sich auf die Fersen zurück. Sie knieten auf einer karierten Autodecke und hatten beide sorgsam ihre Schuhe ausgezogen. Beim Näherkommen sah Barbara, daß eine der schwarzen Socken des Pastors ein Loch hatte.
Sie hatten offenbar vorgehabt, den Garten gründlich auf Vordermann zu bringen. Vor ihren Knien war ein ganzes Arsenal blitzsauberer Gartengeräte aufgereiht. Sie lagen auf einem großen Stück Packpapier, auf dem, wie es aussah, ein Plan für die Anlage des Gartens aufgezeichnet war. Das Papier war voller Erdflecken, der Plan darauf war mit zahllosen Anmerkungen versehen. Der Pastor und seine Frau gaben sich der Gärtnerei anscheinend mit der Leidenschaft religiöser Eiferer hin.
Barbara stellte sich vor und zeigte ihren Dienstausweis. Der Pastor wischte sich die Hände ab und stand auf. Er half seiner Frau auf die Beine, und während sie ihr ergrauendes Haar richtete und ihren Leinenrock abklopfte, stellte er sich als Reverend Matheson vor und seine Frau als »meine Braut Rose«.
Seine Frau lachte scheu über diese Bezeichnung und legte ihre Hand auf den Arm ihres Mannes. Sie ließ sie abwärts gleiten, bis ihre Finger sich mit den seinen trafen und verschlangen. Der Pastor sagte zu Barbara: »Wie können wir Ihnen behilflich sein, junge Frau?«
Barbara erklärte, sie sei hergekommen, weil sie einige Fragen über den Basar habe, der kürzlich stattgefunden hatte, und Rose schlug daraufhin vor, sie könnten sich darüber ja unterhalten, während sie und ihr Mann ihrer Arbeit im Garten nachgingen. »Wissen Sie«, erklärte sie, »es ist schwer genug, meinem Mann ein Stündchen abzuluchsen, damit wir uns um unsere Pflanzen kümmern können. Zumal er so ziemlich alles tun würde, um nur ja nicht in den Blumenbeeten wühlen zu müssen. Sie verstehen, daß ich jetzt, wo ich ihn hier habe, das Eisen schmieden muß.«
Mr. Matheson machte ein beschämtes Gesicht. »Ich habe nun mal keinen grünen Daumen, Rose. Es hat unserem Herrn nicht gefallen, mich mit dem nötigen Talent auszustatten, das weißt du doch.«
»Allerdings«, versicherte Rose mit Inbrunst.
»Ich helfe gern mit«, sagte Barbara.
Rose war hocherfreut über das Angebot. »Wirklich?« Sie ging wieder auf der Autodecke in die Knie. Barbara glaubte, sie wollte ein Dankgebet dafür zum Himmel schicken, daß der Herr ihr eine Helferin gesandt hatte. Doch sie nahm nur einen Kultivator unter den Geräten heraus, reichte ihn Barbara und sagte dazu: »Zuerst lockern wir den Boden und ziehen das Unkraut heraus.
Weitere Kostenlose Bücher