08 - Im Angesicht des Feindes
dauernden Waffenstillstands mit der IRA diskutieren. Vielleicht war sie auch einer potentiell unerquicklichen Story über die Spionageabwehr auf der Spur. Es konnte alles mögliche sein. Und es konnte gar nichts sein. Es war lediglich der Zeitpunkt ihres Auftauchens, der Eve beunruhigt hatte.
Eve setzte ihre Brille wieder auf und zupfte ihren Pony zurecht, so daß er die Narbe an der Augenbraue bedeckte. Sie sagte: »Parlamentsabgeordnete, Staatssekretärin« zu ihrem Spiegelbild, und als diese öffentliche Person wieder mit ihr eins geworden war, kehrte sie in ihr Büro zurück und ließ den nächsten Wartenden eintreten.
Diese Sitzung - ein weitschweifiges Gespräch mit einer ledigen Mutter von drei Kindern, die schon wieder Nachwuchs erwartete und gekommen war, um gegen ihren gegenwärtigen Platz auf der Warteliste für eine Sozialwohnung zu protestieren - wurde von Nuala unterbrochen. Sie klopfte diskret und öffnete die Tür, gerade als Miß Peggy Hornfisher empört fragte: »Isses vielleicht meine Schuld, daß sie alle denselben Vater haben? Wieso werd' ich deswegen schlechter behandelt? Wenn ich dauernd mit andern schlafen würde und am laufenden Band Kinder produzieren würde, ohne mich drum zu kümmern, wer der Vater ist, wär' ich ganz oben auf dieser Liste, das wissen wir doch beide. Und sagen Sie jetzt bloß nicht, ich soll mit dem Wohnungsamt reden. Den Mund hab' ich mir fußlig geredet. Sie sollen mit denen reden. Dafür hab' ich Sie schließlich gewählt.«
Nualas »Entschuldigen Sie, Mrs. Bowen« ersparte es Eve, Miß Hornfisher die Feinheiten des Auswahlverfahrens bei der Verteilung von Sozialwohnungen zu erläutern. Die Tatsache, daß Nuala persönlich unterbrochen hatte, konnte nur bedeuten, daß etwas vorlag, was sofortige Bearbeitung verlangte.
Eve stand auf und ging mit Nuala ins Vorzimmer hinaus. Die Sekretärin sagte: »Ihr Mann hat gerade angerufen.«
»Warum haben Sie ihn nicht durchgestellt?«
»Das wollte er nicht. Er hat nur gesagt, Sie möchten sofort nach Hause kommen. Er ist schon unterwegs und erwartet Sie dort. Das war alles.« Nuala trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Sie hatte Alex schon öfter am Telefon gehabt und mußte wissen, wie ungewöhnlich es für ihn war, seiner Frau über Dritte Anweisungen zu geben. »Mehr hat er nicht gesagt«, fügte sie hinzu.
Eve verspürte einen Anflug von Panik, doch sie griff auf Alex' ersten Gedanken am Mittwochabend zurück und sagte mit äußerlicher Gelassenheit: »Seinem Vater geht es nicht gut« und kehrte in ihr Büro zurück. Sie entschuldigte sich bei Miß Hornfisher, versprach ihr, sich um die Angelegenheit zu kümmern, und begann ihre Sachen zu packen, während Miß Hornfischer verdrossen hinausschlurfte. Sie bemühte sich, ihre Fassung zu bewahren, obwohl ihre Gedanken rasten. Es ging um Charlotte. Alex hatte bestimmt Charlottes wegen angerufen. Sonst hätte er ihr nicht ausrichten lassen, sie solle nach Hause kommen. Sie hatten also von ihr gehört. Es gab etwas Neues. Luxford hatte klein beigegeben. Eve war standhaft geblieben, hatte sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, hatte sich von Luxfords Theater nicht beeindrucken lassen, hatte ihre Kaltblütigkeit bewahrt und ihm gezeigt, wer hier wahren Mumm hatte, wer - Das Telefon läutete. Sie hob hastig ab. »Was ist denn?« fragte sie ungeduldig.
»Es ist schon wieder Joel Woodward«, antwortete Nuala.
»Ich kann jetzt nicht mit ihm sprechen.«
»Aber er sagt, es sei dringend, Mrs. Bowen.«
»Ach, verdammt, dann stellen Sie ihn eben durch«, sagte sie und hörte einen Moment später die Stimme Joels, der mit ganz uncharakteristischer Respektlosigkeit sagte: »Scheiße! Warum haben Sie mich nicht zurückgerufen?«
»Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen, Joel?«
»Ich weiß, mit wem ich spreche. Und ich weiß noch was anderes. Hier ist was im Busch, und ich dachte mir, es würde Sie interessieren.«
Der Freitagabendverkehr war chaotisch. Der Monat Mai, der beginnende Ansturm der Touristen und das abendliche Gedränge ins Theater sorgten dafür, daß die Straßen völlig verstopft waren. Luxford, der mit St. James im Wagen Alexander Stone folgte, rief seine Frau an, um ihr zu sagen, daß er später nach Hause kommen würde. Den Grund nannte er ihr nicht.
Zu St. James sagte er: »Fiona weiß nichts von dieser Geschichte. Ich habe keine Ahnung, wie ich es ihr beibringen soll. Mein Gott, ist das ein Schlamassel.« Er hielt die Augen auf den Wagen vor
Weitere Kostenlose Bücher