08 - Old Surehand II
zu dem Apachen:
„Mein Bruder folge mir!“ Beide stiegen auf und ritten davon. Es war für den Grafen keine Kleinigkeit, den beiden Reitern zu folgen; es war vielmehr der qualvollste Weg seines Lebens, den er je gegangen war.
‚Büffelstirn‘ hatte die Leitung übernommen. Er lenkte um den steil abfallenden Hang des Berges herum und dann die Anhöhe hinauf. In der Zeit von einer Stunde hatten sie das Plateau des Höhenzuges erreicht, und nun ging es in den dichten Urwald hinein. Mitten in demselben lag, nach allen Seiten von fast undurchdringlichem Gestrüpp umgeben, die Ruine eines alten Aztekentempels. Dieser hatte aus einer abgestumpften Pyramide bestanden, welche von Vorhöfen rund umgeben gewesen war, um welche sich eine hohe Mauer zog. Jetzt lag alles in Schutt und Trümmern.
In einem dieser alten Vorhöfe hatte sich eine tiefe Lache gebildet, in welcher sich die Feuchtigkeit des Waldes sammelte. Dorthin führte der Indianer den Freund und den Gefangenen. Die Lache war mit der Zeit zu einem Teich, fast zu einem kleinen See geworden, bis zu dessen Ufer sich hohe Bäume heranzogen. Dort stiegen die beiden Häuptlinge ab. Der Mixteka setzte sich in das hohe Gras und winkte dem Apachen, neben ihm Platz zu nehmen. Sie saßen nach Indianerart erst eine Weile schweigsam da; dann fragte ‚Büffelstirn‘: „Mein Bruder hat den Deutschen lieb, der ‚Donnerpfeil‘ genannt wird?“
„Ich liebe ihn!“ antwortete der Apache kurz.
„Dieser Weiße wollte ihn töten.“
„Er ist sein Mörder, denn vielleicht stirbt unser Freund.“
„Was verdient ein Mörder?“
„Den Tod.“
„Er soll ihm werden!“
Wieder verging eine Weile in düsterem Schweigen; dann begann ‚Büffelstirn‘ von neuem: „Mein Bruder kennt das Volk der Mixtekas?“
„Er kennt es“, nickte ‚Bärenherz‘.
„Es war das reichste Volk in Mexiko.“
„Ja, es hatte Schätze, die niemand messen konnte“, stimmte der Apache bei.
„Weiß mein Bruder, wohin die Schätze gekommen sind?“
„Er weiß es nicht.“
„Kann der Häuptling der Apachen schweigen?“
„Sein Mund ist wie die Mauer des Felsens.“
„So soll er wissen, daß ‚Büffelstirn‘ der Hüter dieser Schätze ist.“
„Mein Bruder ‚Büffelstirn‘ mag diese Schätze verbrennen. Im Gold wohnt der böse Geist. Wenn die Erde von Gold wäre, würde ‚Bärenherz‘ lieber sterben als leben!“
„Mein Bruder hat die Weisheit der alten Häuptlinge. Aber andre lieben das Gold. Dieser Graf wollte den Schatz der Mixtekas besitzen.“
„Ugh!“
„Er kam mit achtzehn Dieben, um ihn zu rauben.“
„Wer hat ihm den Weg zum Schatz gezeigt?“
„Karja, die Tochter der Mixtekas.“
„Karja, die Schwester ‚Büffelstirns‘? Ugh!“
„Ja“, sagte dieser traurig. „Ihre Seele war finster, denn sie traute diesem weißen Lügner. Er versprach ihr, sie zu seinem Weib zu machen; aber er wollte sie verlassen, sobald er den Schatz hatte.“
„Er ist ein Verräter!“
„Was verdient ein Verräter?“
„Den Tod.“
„Und was verdient ein Verräter, der zugleich ein Mörder ist?“
„Den doppelten Tod.“
„Mein Bruder hat recht gesprochen.“
Es entstand wieder eine Pause des Schweigens. Diese beiden Häuptlinge bildeten einen fürchterlichen und unerbittlichen Gerichtshof, gegen dessen Urteil es keine Berufung gab. ‚Büffelstirn‘ wäre auch allein mit Alfonzo fertig geworden, aber er hatte den Apachen mitgenommen, um seiner Rache ein gerechtes Urteil zu unterbreiten. Die beiden hielten eines jener sogenannten Prärie-Gerichte, vor welchen die Verbrecher der Wildnis so große Angst haben. Sie sprachen in dem Idiom der Apachen, welche Alfonzo nicht verstand; aber er ahnte, daß man über ihn entscheide. Er bebte vor Furcht; denn er dachte an die Krokodile, von denen ‚Büffelstirn‘ gesprochen hatte. Hier war der Teich, und gerade an dem Ort, wo sie saßen, ragte ein schief gewachsener Zedernstamm weit hinaus über das Wasser, und seine Zweige senkten sich beinahe bis auf den Spiegel desselben herab. Es schwamm dem Spanier vor den Augen, wenn er seinen Blick dorthin richtete.
Da begann ‚Büffelstirn‘ wieder: „Weiß mein Bruder, wo der doppelte Tod zu finden ist?“
„Der Häuptling der Mixtekas mag es mir sagen!“
„Dort!“ Er deutete hinaus auf das Wasser. Der Apache warf keinen Blick hinaus, sagte aber, als ob sich das von selbst verstehe: „Das Krokodil wohnt dort?“
„Ja. Du sollst es sehen.“
Er trat an das Wasser,
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