08 - Old Surehand II
Dunst einatmen und lange Tage und Nächte über ihnen hängen, denn der Strick geht dir nicht um den Hals. So wirst du hängen in Sonnenglut, du wirst verschmachten, verhungern, verdursten, und erst wenn dein Leichnam zu Aas verfault, wirst du herabstürzen und von Alligatoren gefressen werden.“
Alfonzo hörte diese Worte mit unbeschreiblichem Entsetzen; seine Zunge war bewegungslos; sie lag ihm vor Furcht wie Blei im Mund; er konnte nicht um Gnade bitten.
„Nur ein offenes Geständnis kann dieses Schicksal mildern“, fuhr der Indianer fort. „Also rede! Hast du meiner Schwester das Geheimnis entlockt?“
„Ja“, stieß der Gefragte hervor.
„Wo hattest du deine Zusammenkünfte mit ihr?“
„Bei den Oliven am Bach, hinter der Hacienda.“
„Wann hat sie dir das Geheimnis verraten?“ war die fernere Frage des Indianers.
„Gestern abend“, lautete die Antwort.
„Bist du allein hier?“
„Nein, ich bin von achtzehn Mexikanern begleitet.“
„Ah, sie sollten dir helfen, diese Schätze fortzuschaffen, und du hast ihnen das Geheimnis mitgeteilt?“
„Sie wissen nicht, was sie transportieren sollten; kennen auch die Höhle nicht.“
„Wo sind sie?“
„Sie halten eine Strecke von hier, deren Entfernung unbedeutend ist.“
„Gut! Dieser Mann hier bleibt jetzt liegen; du aber wirst mir folgen. Ich binde und fessele dich nicht, denn du kannst mir nicht entgehen. Du bist ein Wurm, den ich mit einem einzigen Griff zermalme. Komm und folge mir!“
„Was wirst du mit mir tun?“ fragte Alfonzo voller Angst.
„Das wirst du erfahren!“
„Töte mich lieber gleich hier!“
„Pah! Du hast die Tochter der Mixtekas getäuscht; du wirst das sühnen müssen.“
„Wodurch?“
„Dadurch, daß du sie zum Weib machst.“
„O, das werde ich tun!“ rief Alfonzo schnell.
„Ah!“ lachte der Indianer grimmig. „Du hälst dich für gerettet! Täusche dich nicht. Du wirst Karja zum Weibe nehmen; sie wird Gräfin de Rodriganda de Sevilla werden; aber du wirst sie nicht anrühren dürfen. Komm und folge mir!“
Er faßte ihm beim Arm und zog ihn nach dem Ausgang. Dort ging er mit ihm in das Wasser und schob ihn, ohne die Faust von ihm zu lassen, an das Tageslicht.
Es war, als ob durch das erneute Wasserbad und durch den Eindruck des Morgenlichtes der Bann von Alfonzo vertrieben werde. Er atmete tief und leichter auf und fragte sich im stillen, ob er nicht vielleicht doch noch Hoffnung hegen dürfe.
„Wo ist dein Pferd?“ fragte ‚Büffelstirn‘.
„Dort rechts hängt es an einem Eisenbaum.“
„Und wo sind die Mexikaner?“
„Hinter jenem Hügel zurück.“
„So komm zu deinem Pferd!“ Er schritt mit ihm dem Ort zu, welchen Alfonzo angedeutet hatte. Kaum jedoch waren sie zwischen den Büschen hervorgetreten, so erblickten sie die Mexikaner, welche kaum dreißig Schritte entfernt von ihnen zu Pferde hielten.
„Hund, du hast mich belogen!“ rief der Indianer, indem er ihn beim Hals packte.
„Zu Hilfe!“ schrie Alfonzo, der sich loszumachen versuchte.
„Hier hast du Hilfe!“ antwortete der Indianer. Er schlug ihm die Faust auf den Kopf, daß er zusammenbrach, sah sich aber auch bereits von den Mexikanern umringt, welche allerdings noch nicht zu den Waffen griffen, weil sie überzeugt waren, daß dieser eine Mann ihnen gar nicht entgehen könne.
Darin hatten sie sich nun freilich getäuscht. Er hatte seine Schießwaffen beim Pferd gelassen, weil sie durch das Wasser gelitten haben würden, aber er hatte sein gutes Messer im Gürtel. Mit einem blitzschnellen Sprung saß er hinter dem Anführer auf dessen Pferd, zog sein Messer und stieß es ihm in die Brust. Im nächsten Augenblick flog er von dannen, aber nicht in der Gegend nach der Hacienda zu. Er durfte den Berg des Geheimnisses nicht verlassen, um die Höhle nicht preiszugeben. Darum sprengte er geradewegs der kleinen Schlucht zu, in welcher die beiden Pferde standen. Sie bot ihm eine Festung, in welcher er vor den Feinden sicher war.
Die Mexikaner hielten da, einige Augenblicke ganz perplex über den unvermuteten und so erfolgreichen Angriff auf ihren Anführer; dann aber erhoben sie ein wildes Geheul und sprengten hinter dem Flüchtigen her. Das war ein unverzeihlicher Fehler von ihnen. Hätten sie in ruhiger Haltung nach ihren Gewehren gegriffen, so konnte er ihren Kugeln nicht entgehen, nun aber schossen sie zwar ihre Gewehre ab, aber sie konnten im Galoppieren nicht sicher zielen, und so gingen die Schüsse
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