08 - Old Surehand II
tot.
‚Büffelstirn‘ hatte seine Schwester bis jetzt noch mit keinem Blick beachtet; jetzt wendete er sich an den Apachen: „Will mein Bruder dafür sorgen, daß niemand an den Quell dieses Baches kommt?“
„Ja“, antwortete dieser.
„So werde ich bald zurückkehren.“
Er ging, um die Höhle wieder aufzusuchen. Als er sie erreichte, war die Fackel abgebrannt. Er steckte eine neue an und trat dann zu dem Deutschen. Er bemerkte sofort, daß dieser anders lag, als er ihn verlassen hatte, und beeilte sich infolgedessen, ihn nochmals zu untersuchen. Er fand zu seiner unaussprechlichen Freude, daß der Puls wieder ging. Der Deutsche mußte während dieser Zeit einmal für kurze Zeit zu sich gekommen sein und sich bewegt haben; jetzt aber lag er in vollständiger Lethargie. Der Indianer faßte ihn und schaffte ihn so sorgfältig und leicht wie möglich hinaus ins Freie. Als er ihn dort in das Gras legte, waren die Vaqueros soeben wieder erschienen. Sie hatten trotz der kurzen Zeit, welche sich Helmers auf der Hacienda befand, ihn alle liebgewonnen und klagten laut und aufrichtig über ihn. Der Apache schlug mit der Hand auf die emporstehende Mündung seiner Büchse und sagte: „Wenn mein weißer Bruder stirbt, dann wehe seinem Mörder! Die Vögel des Waldes sollen seinen Leib zerreißen. Shoshin-liett, der Häuptling der Apachen, hat es gesagt!“
„Mein Bruder soll mit zu Gericht sitzen!“ sagte ‚Büffelstirn‘ zu ihm. Der Apache beugte sich über den Deutschen und untersuchte seinen Kopf. „Es ist ein Keulenschlag“, sagte er. „Die Schale des Gehirns ist vielleicht verletzt. Man mache eine Bahre auf zwei Pferden, damit er nach der Hacienda geschafft werden kann. Ich aber werde gehen, um das Kraut Oregano zu suchen, welches jede Wunde heilt und kein Fieber in dieselbe kommen läßt.“
Während nun die Hirten sich entfernten, um eine Bahre herzustellen, und ‚Bärenherz‘ das Wundkraut suchte, blieb ‚Büffelstirn‘ mit seiner Schwester allein zurück.
„Du zürnest mir?“ fragte sie leise. Er blickte sie nicht an, aber er antwortete: „Der gute Geist ist von der Tochter der Mixtekas gewichen!“
„Er ging nur kurze Zeit von ihr“, sagte sie.
„Aber in dieser kurzen Zeit ist viel Trauriges geschehen. Der Graf versprach, dich zu seinem Weib zu machen?“
„Ja.“
„Und das glaubtest du ihm?“
„Ja. Er gab mir eine Schrift, in welcher er es mir versprach.“
„Uff! Und diese Schrift hast du noch?“
„Sie liegt in meinem Zimmer.“
„Du wirst sie deinem Bruder geben?“
„Nimm sie! Wirst du mir verzeihen?“ fragte sie zaghaft.
„Ich werde nur dann verzeihen, wenn du mir gehorchst.“
„Ich werde gehorchen. Was soll ich tun?“
„Das wirst du später erfahren. Jetzt besteigst du das Pferd und reitest nach der Hacienda zurück, um mir alle Indianer, welche Kinder der Mixtekas sind, hierher zu senden. Du sagst ihnen, daß Tecalto, ihr Fürst, ihrer bedarf. Sie werden alles andre im Stich lassen und kommen.“
„Ich gehe schon.“ Mit diesen Worten bestieg sie das Pferd und sprengte davon.
Der Häuptling sah, daß dem Grafen die Besinnung zurückgekehrt war. Er blickte ihn mit verächtlichen Augen an und sagte: „Das Bleichgesicht wird keine Gnade nun finden. Es hat gelogen.“
„Welche Lüge meinst du?“ fragte der Gefesselte.
„Daß die Mexikaner hinter jenem Hügel seien.“
„Ich sagte die Wahrheit. Aber sie sind mir gefolgt, ohne daß ich es wußte.“
„Du riefst dann um Hilfe! Du hättest vielleicht Gnade gefunden, nun aber nicht!“
Er wandte sich stolz ab und würdigte den Gefangenen keines Blickes mehr. Bald kehrte ‚Bärenherz‘ zurück, legte die ausgedrückten Kräuter auf den Kopf des Deutschen und verband ihn. Auch die Hirten waren fertig. Sie hatten aus Ästen und den Decken der getöteten Mexikaner eine sehr weiche und bequeme Tragbahre errichtet, welche auf zwei nebeneinander hergehenden Pferden befestigt wurde. Darauf wurde Helmers gelegt.
„Was wird mit dem Grafen?“ fragte einer der Vaqueros.
„Der gehört mir!“ antwortete ‚Büffelstirn‘. „Bringt ‚Donnerpfeil‘ nach der Hacienda. ‚Bärenherz‘ wird bei mir bleiben!“
Der Zug rückte ab. Die beiden Häuptlinge standen einige Zeit schweigend nebeneinander; dann löste ‚Büffelstirn‘ die Beinfesseln des Gefangenen, so daß dieser aufstehen konnte. Als dies geschehen war, band er ihn mit einem unzerreißbaren Riemen an den Schwanz seines Pferdes. Dann sagte er
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