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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bewiesen. Und wenn man nun gar von Winnetou sprechen hört, der geradezu ein Beispiel von Hochherzigkeit und Noblesse ist, und von den vielen Bleichgesichtern, an denen er dies bewiesen hat, so möchte man es wirklich bedauern, daß man nicht eine rote, sondern eine weiße Haut besitzt. Zwar ist bei der Episode mit Sam Fire-guns Trappergesellschaft sehr viel Blut geflossen, wie wir vorhin hörten; aber das hat er nicht verhindern können, denn die Verhältnisse lagen so, und die Gegner waren so gefährliche Kerls, daß Schonung gar nicht am Platz war. Nun bedaure ich, daß dieser Sanders im ehrlichen Kampf eines so raschen Todes gestorben ist; er hatte nicht das Messer, sondern einen tüchtigen Strick aus gutem Hanf verdient.“
    Da rief Mutter Thick vom Schanktisch her: „Den hat er ja auch bekommen!“
    „Wie? Was? Einen Strick?“
    „Ja.“
    „Aber es ist doch erzählt worden, daß er im Gutter von dem Steuermann erstochen worden ist!“
    „Ja freilich; aber es ist nicht wahr. Der Gentleman, der die Geschichte erzählt hat, ist von der wirklichen Tatsache abgewichen. Sanders ist nicht erstochen worden, und Jean Letrier ist auch nicht umgekommen; sie blieben verschont und wurden gefangengenommen.“
    „Ist das wahr, Señor?“ Der Mexikaner richtete diese Frage an den früheren Indianeragenten, dessen Gesicht jetzt eine kleine Verlegenheit zeigte. Er antwortete: „Hm, wie man es nimmt! Eigentlich ist er tot, denn ich habe es erzählt, und er lebt auch wirklich heute nicht mehr; aber, hm! Mutter Thick, wie kommt denn Ihr dazu, zu behaupten, daß Sanders damals nicht erstochen worden ist?“
    „Weil ich es weiß, und zwar ganz genau“, antwortete die Wirtin, welche den ihr vorhin erteilten Wink nicht mehr länger beachten wollte.
    „Von wem denn?“
    „Von einem, der dabeigewesen ist.“
    „Ich war doch auch dabei!“
    „Ja; aber der Gentleman, von dem ich es habe, hat später noch viel, viel mehr mit Sanders erlebt und durchgemacht.“
    „Wirklich? Wen meint Ihr denn eigentlich?“
    „Den Polizisten Treskow.“
    „Ah! Der soll später mit ihm noch mehr erlebt haben?“
    „Ja. Wenn Ihr es nicht glauben wollt, so mag er es Euch selbst sagen!“
    „Um das zu können, müßte er hier sein.“
    „Das ist er auch.“
    „Wo denn? Wo?“
    „Dreht Euch nur einmal um, und seht Euch den Gentleman an, der hinter Euch am letzten Tisch sitzt! Ihr habt ihn noch gar nicht bemerkt, weil er bis vorhin draußen in der anderen Stube saß.“
    Der Agent drehte sich um. Als er den Herrn sah, der mir so interessant vorgekommen war, sprang er auf, ging zu ihm hin, hielt ihm beide Hände entgegen und rief: „Mr. Treskow, wirklich, das ist Mr. Treskow! Es ist seitdem eine Reihe von Jahren vergangen; aber ich kenne Euch trotzdem sofort wieder. Welche Freude! Was führt Euch denn nach Jefferson City?“
    „Ich bin in letzter Zeit wiederholt hier gewesen und da stets bei Mutter Thick eingekehrt.“
    „In Geschäften?“
    „Hm! Geschäfte sind es eigentlich nicht, die ich betreibe“, antwortete er mit einem Lächeln.
    „So seid Ihr nicht geschäftlich, sondern amtlich hier?“
    „Ja.“
    „Also noch immer Detektiv?“
    „Ja.“
    „Wollt Ihr etwa einen von uns da fangen?“
    „Das nicht, denn ich bin überzeugt, daß sich nur Gentleman hier befinden, die von der Polizei nichts zu fürchten haben. Ich wohne für einige Tage hier bei Mutter Thick und saß da draußen in der Stube, deren Tür nur angelehnt war; darum hörte ich die Geschichten, welche hier erzählt wurden. Als Ihr von Sam Fire-gun, von Pitt Holbers und Dick Hammerdull zu sprechen anfingt, da litt es mich freilich nicht länger draußen, und ich kam herein, um zuzuhören.“
    „Habt Ihr mich erkannt?“
    „Sofort!“
    „Natürlich! Es war freilich dumm von mir, Euch, einen Detektiv, zu fragen, ob Ihr mich erkannt habe. Ich freue mich außerordentlich, Euch wiederzusehen, und Ihr müßt die Güte haben, Euch mit an unsre Tafel zu setzen; die Gentleman kennen Euch ja aus meiner Geschichte, so daß ich Euch nicht erst lange vorzustellen brauche. Aber Eure Anwesenheit macht mir doch einen Strich durch meine Rechnung oder vielmehr durch meine Erzählung!“
    „Wieso?“
    „Weil ich Sanders und Jean Letrier habe sterben lassen, und sie sind damals doch am Leben geblieben.“
    „Ja, das war freilich eine Lizenz, welche nicht mit der Wahrheit übereinstimmte.“
    „Lizenz, Lizenz, das ist das richtige Wort. Man nimmt sich die Freiheit, gegen die

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