08 - Old Surehand II
meinetwillen, denn ich will ein Westmann bleiben und lebe als solcher nicht vom Gold, aber um meines Bruders willen. Du wirst durch dieses Geschenk ein Wohltäter vieler Menschen werden, denn es wird nicht bloß meinem Bruder, sondern auch den Witwen und Waisen, den Armen und Kranken meines deutschen Vaterlandes gehören. Mir hätte es fast das Leben gekostet; das Gold ist ein teures und gefährliches Metall, und ich verstehe es, daß die roten Krieger nichts von ihm wissen mögen. Aber noch kann ich nicht sagen, ob ich dieses Geschenk annehmen oder zurückweisen werde.“
„Warum? Welche Gründe könntest du haben, es zurückzuweisen?“ fragte der Mixteka erstaunt.
Der Deutsche strich sich mit der Hand langsam und nachdenklich über das Gesicht, sah seine beiden roten Freunde forschend an und antwortete dann: „Die beiden Häuptlinge, ‚Bärenherz‘ und ‚Büffelstirn‘, werden meine Worte vielleicht nicht ganz begreifen, denn sie gehören zu den strengen, roten Kriegern, welche gewöhnt sind, sich nur dem Gesetz der Vergeltung zu richten. Ich aber denke anders, weil ich ein Schüler und Freund von Winnetou und Old Shatterhand geworden bin, welche nach den Forderungen der Milde und Verzeihung handeln. Auch ich weiß, daß ein Krieger im Augenblick, wo es gilt, nicht zaudern darf, den Gegner zu vernichten, und als es sich darum handelte, Karja und Señorita Emma zu befreien und zu beschützen, habe ich unbedenklich auf die Komantschen geschossen; jetzt aber ist die Gefahr vorüber; die Feinde sind besiegt, und weiteres Blutvergießen würde nicht nur unnötig, sondern sogar unmenschlich sein. Von zweihundert Komantschen haben sich nur einige retten können; ist da nicht Blut genug geflossen? Und selbst die Toten sollen nicht in die Erde, sondern im Magen der Krokodile begraben werden? Ist das nicht streng genug, ist das nicht mehr als streng gehandelt? Hat der Graf euch getötet, euer Blut vergossen? Warum wollt ihr das seinige haben? Waren die Augenblicke, als er über den Krokodilen hing, nicht schlimmer als der Tod? Ich glaube, er hat damit genug gebüßt.“
„Genug gebüßt? – – –“ fragte der Mixteka.
Er wollte weitersprechen; Helmers aber fiel schnell ein: „Mein Bruder mag jetzt nichts sagen, sondern mich erst anhören. Wenn der Graf sich weiter gegen euch vergeht, so tötet ihn; ich habe dann nichts dagegen; jetzt aber wünsche ich, daß ihr ihn nicht verfolgt; ich bitte euch darum. Falls ihr mir diesen Wunsch erfüllt, werde ich dein Geschenk annehmen, sonst aber nicht.“
„Wirklich nicht?“
„Nein. Du weißt, daß ich dieses mein Wort halte. Laßt mich nicht lange in Ungewißheit darüber, sondern beratet euch. Mit der Erfüllung meiner Bitte macht ihr mir keine geringere Freude als mit dem Gold, an welchem das Blut so vieler Menschen hängt.“
„Uff! Mein Bruder will es so haben, und so werden wir uns sogleich beraten und dann wiederkommen.“
Er stand auf und ging mit seiner Schwester und dem Apachen fort. Emma Arbellez reichte dem Deutschen die Hand und sagte: „Das war edel von Euch, Señor! Ihr habt mir aus dem Herzen gesprochen, und ich danke Euch! Ich werde diesen drei Leuten jetzt nachgehen, um ihnen dieselbe Bitte auszusprechen. Was zwei wünschen, das wird wohl leichter erfüllt, als was nur einer wünscht.“
Sie ging, und ihr Vater begleitete sie. Schon nach einer Viertelstunde kamen sie alle wieder, und ‚Büffelstirn‘ erklärte dem ihn mit Spannung anblickenden Deutschen: „Du hast gesiegt, und die Namen Winnetous und Old Shatterhands haben dich dabei unterstützt; auch die Señorita hat uns gebeten, und so wollen wir die Rache ruhen lassen. ‚Büffelstirn‘, der Häuptling der Mixtekas, hat noch nie etwas, was er tun wollte, unausgeführt gelassen; es geschieht heut zum erstenmal. Es soll kein Blut weiter fließen, und du kannst also das Gold des Königsschatzes von mir annehmen. Willst du das?“
„Ja. Es hängt das Leben vieler Menschen daran; mag es nun noch viel, viel mehr Menschen Glück und Segen bringen. Ich danke euch!“ – – –
DRITTES KAPITEL
Ein Korsar
„So Señores“, bemerkte der mexikanische Advokat zu seiner Erzählung, „das war die Geschichte vom Grafen von Rodriganda. Was aus dem vornehmen Herrn geworden ist, das ist Nebensache. Es galt mir nur, zu zeigen, daß sehr oft ein Indianer ein weit besserer Mensch als ein Weißer ist. Die beiden Häuptlinge der Apachen und der Mixtekas haben das mehr als zur Genüge
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