08 - Old Surehand II
bis nach oben genau und vollständig kennen; sie machte nach und nach alle Stufen vom Schiffsjungen bis zum Offizier durch; sie hatte nicht bloß Gabe, sondern Talent für die See und brachte es durch die Praxis und durch den Unterricht, den ihr der Vater gab, so weit, ein Schiff bei jedem Wind und Wetter zu regieren. Aber darüber konnten sich die Mannen, die mit ihrem Vater fuhren, nicht freuen; sie war schon als Kind eine wilde Katze, und je größer und älter sie wurde, desto mehr entwickelte sich ein Teufel in ihr, der sie bis an ihr Ende, also bis zum Strang beherrschte. Ist das richtig oder nicht, Mr. Treskow?“
„Es ist richtig, aber da ihr wißt, daß sie gehängt worden ist, werdet ihr wohl auch erfahren haben, daß sie den Galgen nicht ohne Gesellschaft bestiegen hat?“
„Ja; der ‚Schwarze Kapitän‘ wurde mit ihr gehängt, ein Kerl, der grad so schlimm oder noch schlimmer war als sie.“
„Kennt ihr seine Vergangenheit?“
„Ich weiß nicht, was Ihr da unter Vergangenheit versteht. Er muß schon jung ein außerordentlich guter Seemann gewesen sein, denn als man ihm den Strick um den Hals legte, hat er nicht viel über dreißig Jahre gezählt und vorher doch schon lange, lange Zeit die belebtesten Seekurse unsicher gemacht. Er war ein Sklavenhändler, wie es keinen zweiten gegeben hat, holte die Negerware von Afrika herüber und brachte sie hier stets glücklich an den Mann, ohne daß es jemals gelang, ihm das Handwerk zu legen. Es nahm es eben kein anderer Kapitän und kein anderer Marineoffizier mit ihm auf.“
„Das ist richtig, doch lag der Grund nicht allein in ihm, sondern auch in der Vortrefflichkeit des Fahrzeuges, welches er führte.“
„Ihr meint den ‚l‘Horrible‘? Ja, das soll ein Schonerbrigg oder ein Dreimast-Marssegelschoner gewesen sein, gegen welchen kein anderes Schiff hat aufkommen können. Der ‚Schwarze Kapitän‘ hat sich selbst vor Dampfern nicht gefürchtet, so lange nur eine Handvoll Wind in seinen Segeln steckte. Die ‚Miß Admiral‘ war sein Segelmeister, oder wie man das so nennt, und wenn zwei solche Personen zusammenkommen, so kann man sich denken, wie dann der ‚Stecken schwimmt‘. Diese beiden haben nämlich nicht nur Neger gejagt und verkauft, sondern jedes Fahrzeug, dem sie begegneten, als gute Prise betrachtet, wenn es zu bewältigen war. Wieviel Fahrzeuge da ausgeraubt und mit der ganzen Bemannung versenkt worden sind, das wird wohl niemals an den Tag kommen. Interessant wäre es mir, zu erfahren, wo und wie die beiden, nämlich die ‚Miß Admiral‘ und der ‚Schwarze Kapitän‘, zusammengekommen sind.“
„Das kann ich Euch sagen, Sir.“
„Wirklich? Also wie?“
Ich ersah es aus den Akten, die mir vorgelegen haben. Der Seemann war ihm angeboren, und er hätte es auf gutem Weg weit, sehr weit bringen können, aber wie die ‚Miß Admiral‘ eine Katze, so war er schon als Junge ein durchtriebener und unbändiger Fuchs, dem kein Lehrer ein gutes Ende voraussagte, obgleich er durch seine außerordentlichen Fortschritte alle in Erstaunen setzte. Die Navigation war sein Element, in welchem er mit fünfzehn Jahren sich besser auskannte als mancher vielbefahrene Orlogoffizier; aber es gab auch in ihm einen Teufel, der ihn nicht auf dem rechten Kurs litt. Er machte Dummheiten über Dummheiten, die ihm so lange nachgesehen und verziehen wurden, bis es nicht mehr ging, weil er es zu arg trieb. Er wurde trotz seiner sonstigen, unvergleichlichen Brauchbarkeit mit Schande fortgejagt. Nun trieb er sich längere Zeit herum, von einem Bord zum andern; das waren aber alles Schiffe zweifelhaften Rufes. Wie unverzeihlich das von ihm war, werdet ihr einsehen, wenn ich euch sage, daß er es schon deshalb ganz anders hätte haben können, weil er nicht arm war, sondern ein beträchtliches Vermögen besaß, welches ihm die Eltern hinterlassen hatten. Um diese Zeit traf er mit ‚Miß Admiral‘ zusammen, deren Vater kürzlich gestorben war; sie hatte von ihm auch einen ganzen Sack voll Geld geerbt. Die beiden sahen sehr bald ein, daß sie vortrefflich zueinander paßten, aber nicht etwa, um einander zu heiraten, o nein! denn die ‚Miß Admiral‘ ist in dieser Beziehung niemals ein Frauenzimmer gewesen, sondern in ganz anderer, sagen wir, geschäftlicher Beziehung. Sie beschlossen, ihr Geld zusammenzutun und ein Schiff zu kaufen, um mit Ebenholz (Negern) zu handeln und nebenbei zu nehmen, was sich bieten würde. Das mußte aber ein vorzügliches
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