08 - Old Surehand II
verlassen wir uns lieber auf uns selbst. Wir werden also selber der Reihe nach wachen, erst Pitt Holbers, dann Dick Hammerdull, hierauf ich und nachher Winnetou“, sagte ich, „jeder zwei Stunden lang.“
„Well! Und schlafen werdet ihr nebenan in der anderen Stube, wo ich euch gute Lager machen lasse, da seid ihr vor einem hinterlistigen Überfall sicher. Außerdem habe ich ja genug Cowboys draußen auf den Weiden, die auch mit achtgeben können.“
Diese Maßregeln wurden getroffen, nur weil wir gewohnt waren, selbst da und dann vorsichtig zu sein, wo und wenn andere sich vollständig sicher gefühlt hätten. Recht überlegt, war ein Überfall von Seiten des alten Wabble gar nicht zu erwarten, zumal uns bald darauf ein Cowboy meldete, daß er mit seinen Leuten fortgeritten sei.
Die Pferde wurden also in dem Schuppen untergebracht, und Pitt Holbers ging hinaus, um seine Wache anzutreten. Wir anderen saßen in der Stube um den Tisch und unterhielten uns. Wir waren noch nicht müde, und Fenner trieb uns von einer Erzählung zu der anderen; er wollte von unseren Erlebnissen gern so viel wie möglich hören. Ihm und seiner Frau machte besonders die witzige Art und Weise Spaß, in welcher der wohlbeleibte Dick einzelne Episoden seines abwechslungsreichen Lebens schilderte.
Nach Verlauf von zwei Stunden ging er hinaus, um Pitt Holbers abzulösen. Dieser meldete uns, daß alles ruhig sei und nichts Verdächtiges sich habe hören oder sehen lassen. Es verging wieder eine Stunde. Ich erzählte eben ein humoristisches Erlebnis unter dem Zeltdach eines Lappländers und hatte nur auf die lachenden Gesichter meiner Zuhörer acht, als mich Winnetou plötzlich beim Kragen faßte und mit solcher Gewalt auf die Seite riß, daß ich fast vom Stuhl stürzte.
„Uff! Ein Gewehr!“ rief er, indem er nach dem Fenster zeigte.
Zugleich mit seinen Worten fiel draußen ein Schuß; die Kugel zertrümmerte eine Fensterscheibe und drang hinter mir in den Säulenbalken, welcher die Decke stützte. Sie hatte mir gegolten und wäre mir in den Kopf gegangen, wenn Winnetou mich nicht weggerissen hätte. Im Nu hatte ich meinen Stutzen in der Hand und sprang nach der Tür; die anderen folgten mir.
Die Vorsicht gebot mir, die Tür nicht ganz zu öffnen, um nicht einem zweiten Schuß als Ziel zu dienen. Ich machte sie also nur eine Lücke weit auf und blickte hinaus. Es war nichts zu sehen. Jetzt stieß ich sie ganz auf und trat hinaus ins Freie; Fenner und meine Gefährten schoben sich hinter mir her. Wir lauschten.
Da hörten wir hinter dem Haus das Stampfen und Schnauben von Pferden, und zu gleicher Zeit rief Dick Hammerdulls Stimme:
„Zu Hilfe! Die Pferde, die Pferde!“
Wir sprangen um die erste und um die zweite Ecke des Hauses. Da sahen wir Gestalten, welche mit Pferden kämpften, die sich nicht fortführen lassen wollten; zwei Reiter wollten an uns vorüber, um zu fliehen.
„Halt! Herunter mit euch!“ rief Fenner.
Er hatte, als der Schuß auf mich gefallen war, seine Doppelbüchse von der Wand gerissen und richtete sie jetzt auf diese Reiter; zwei Schüsse von ihm, und sie stürzten von den Pferden. Die Kerle, welche sich mit unseren Pferden vergeblich abgemüht hatten, gaben den mißglückten Versuch auf und rannten davon. Wir sandten ihnen einige Schüsse nach.
„Recht so, recht so!“ hörten wir Dicks Stimme wieder. „Gebt ihnen gutes Blei in die Köpfe! Dann aber kommt hierher! Der Schuft will nicht still liegen bleiben.“
Wir folgten dem Ruf und sahen ihn auf einem Menschen knien, der sich gegen ihn sträubte und den er mit Aufbietung aller seiner Kräfte niederhielt. Dieser Mensch war – – – der alte Wabble! Er wurde natürlich sofort festgenommen.
„Sagt mir doch, wie das gekommen ist!“ forderte ich den Dicken auf, der jetzt vor mir stand und von der gehabten Anstrengung tief Atem holte. Er antwortete:
„Wie es gekommen ist, das bleibt sich gleich; aber ich lag im Schuppen bei den Pferden; da war es mir, als hätte ich hinter demselben leise sprechen hören. Ich ging hinaus und lauschte. Da fiel vor dem Haus ein Schuß, und gleich darauf kam jemand, der ein Gewehr in der Hand hatte, um die Ecke gerannt. Das weiße Haar war trotz der Dunkelheit deutlich zu sehen; ich erkannte Old Wabble, sprang auf ihn zu, riß ihn nieder und rief um Hilfe. Seine Kumpane hatten hinter dem Schuppen gesteckt und sprangen jetzt hinein, um unsere Pferde fortzuschaffen. Euer und Winnetous Hengst und meine alte, pfiffige
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