08 - Old Surehand II
Fieber zum Ausbruch zu bringen, die für den davon Betroffenen aus Mangel an Pflege und ärztlicher Behandlung nur zu oft einen schlimmen und tödlichen Ausgang nehmen.
Da waren diejenigen noch glücklich zu preisen, welche die Krankheit nicht allein und in der Wildnis traf, sondern welche Freunde fanden, um sie aus den Bergen und Schluchten wieder in den Bereich der Zivilisation und ordentlichen Pflege zu bringen. Die meisten freilich fanden bei den Minen nichts als sechs Fuß Erde über sich und einen armen Ring von Steinen um das enge Grab. Viele starben unterwegs oder lebten gerade lange genug, um mit dem letzten brechenden Blick eine menschliche Niederlassung zu erfassen, und nur wenigen gelang es, wiederhergestellt zu werden, um mit gekräftigtem Körper ihre Arbeit aufs neue beginnen zu können.
Eines aber büßte jeder Kranke sicher ein: das mitgebrachte Gold.
In damaliger Zeit wurde die Arznei geradezu mit Gold aufgewogen, und ein tüchtiger Arzt hatte seine einträglichste Mine in den Krankheiten seiner Patienten. Und wie viele Quacksalber gab es, die dies zu benutzen verstanden, und bei denen vielleicht gar mancher Kranke nur deshalb starb, weil er Gold besaß, welches er im Fall der Genesung wieder mitgenommen hätte!
Der Erzähler machte jetzt eine Kunstpause und zeigte dabei eine so verheißungsvolle Miene, daß ich im stillen annahm, er werde nun als ‚Schriftsteller‘ sein Erzählertalent leuchten lassen. Ich hatte mich auch nicht geirrt, denn er gab dem Folgenden die Form einer Novelle, welche ganz gut hatte gedruckt werden können. Er fuhr nämlich fort:
Die Anhöhe zur Mission herauf schritt ein kräftig gebauter Jüngling, dessen lichtem Haare, regelmäßigen Gesichtszügen und von der Gesundheit roten Wangen man die germanische Abstammung sofort ansah, trotzdem er die bequeme mexikanische Kleidung trug.
An den Mesquitebüschen, welche die Mission umzogen, blieb er stehen und wandte sich nach Westen.
Der Abend nahte, und die Sonne tauchte ihre funkelnden Gluten in die strahlende Flut; vor ihm lag die Stadt, von brillantenem Licht übergossen, und die Fenster des alten Gemäuers warfen blitzende Reflexe in die Ferne hinaus.
Er ließ sich auf den weichen Rasen nieder und versank so tief in den Anblick, daß er die leichten Schritte nicht vernahm, die sich von seitwärts her ihm näherten.
Ein kleines Händchen legte sich auf seine Schulter, und ein Köpfchen bog sich zu ihm herab. Er hörte die Worte:
„Willkommen auf der Mission, Señor! Warum seid Ihr so lange Zeit nicht hier bei uns gewesen?“
„Ich war in San Francisco, Señorita, wo ich allerlei Geschäfte hatte“, antwortete er.
„Und wo Ihr den Señor Carlos mitsamt seiner armen, kleinen Anitta vollständig vergessen habt!“
„Vergessen? Per dios, nein, und tausendmal nein! Anitta, wie könnte ich jemals Euer vergessen?“
Sie ließ sich ohne Ziererei an seiner Seite nieder.
„Habt Ihr wirklich an mich gedacht, Señor Edouardo?“
„Bitte, Anitta, sprecht meinen Namen deutsch aus; ich höre ihn dann so gern aus Eurem Mund! Und fragt nicht erst, ob ich an Euch denke! Wer hat sich meiner angenommen, als ich, durch böse Menschen um Hab und Gut gebracht, hier ankam, als Euer Vater? Und wer hat dann, als mich die Entbehrung und die erlittenen Strapazen auf das Krankenlager warfen, mich gepflegt wie einen Sohn oder einen Bruder? Ihr und eure Mutter! Und wen habe ich hier im fremden Land, zu dem ich gehen und mir Rat erholen kann, als Euch? Anitta, ich werde Euch nie vergessen!“
„Ist das wahr, Eduard?“
„Ja“, antwortete er einfach, indem er ihre Hand ergriff und ihr voll und offen in die Augen blickte.
„Auch dann nicht, wenn Ihr wieder in die Heimat kommt?“
„Auch dann nicht! Ich habe Euch ja gesagt, Anitta, daß ich nicht ohne Euch in die Heimat zurückkehren werde; habt Ihr das vergessen?“
„Nein“, antwortete sie.
„Oder leuchtet jetzt die Sonne Eurer Teilnahme für einen andern?“
„Für einen andern? Wer ist das? Oder darf ich auch das nicht wissen?“
„Er ist der Arzt da droben, der Doktor White.“
„Der –?“ frag sie gedehnt. „Wer möchte wohl die Sonne dieses dürren Master Chinarindo sein! Wenigstens meinetwegen könnte er im Dunkeln bleiben, solange es ihm gefällt!“
„Anitta, ist das wahr?“ rief der junge Mann.
„Warum möchtet Ihr meinen Worten keinen Glauben schenken?“
„Weil ich weiß, daß er Euch nachgeht auf Schritt und Tritt und bei Euren Eltern gern
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