08 - Old Surehand II
war.
Da wurden die Goldfelder Kaliforniens entdeckt, und die Nachricht von den in den Bergen liegenden fabelhaften Schätzen rief eine Einwanderung hervor, welche zunächst aus dem benachbarten Mexiko und den Vereinigten Staaten ihre Scharen herübersandte, bald aber mit den Kindern aller Weltteile das Land überschwemmte. Den zunächst herbeieilenden Abkömmlingen der alten spanischen Konquistadoren folgten Sandwich-Insulaner, dann Australier und Europäer, und selbst Chinesen und Kulis schwärmten herüber, um ihren Teil von dem Gold zu holen und reiche Leute zu werden.
San Francisco war der Hauptsammelpunkt der Fremden, von wo aus sie weiter nach Norden oder in das Innere des Landes gingen. Sacramento war einer der hervorragendsten Nebenpunkte.
Natürlich führte nicht jeder ein Zelt oder eine sonstige Wohnung mit sich. Die Zahl der Menschen wuchs von Tag zu Tag, und da die einsetzenden Regen ein Lagern im Freien nicht gestatteten, so wurde alles, was zur Herberge dienen konnte, in Anspruch genommen.
Auch die alte Mission ‚Santa Lucia‘ erlitt ein solches Schicksal, welches mit ihrer ursprünglichen Bestimmung wenig Ähnlichkeit hatte.
Ein Franzose aus dem Elsaß errichtete unten in einem der Flügel eine Brauerei, mauerte einen riesigen Kessel ein und fing an, ein Getränk zu kochen, welches er die Verwegenheit hatte, Bier zu nennen. In der vorderen Flanke, gerade neben der Kirche, setzte sich ein Amerikaner fest und errichtete eine Restauration, wobei er es für außerordentlich zweckmäßig fand, einen Teil des Kirchenschiffes in einen Tanzsalon umzuwandeln, in dem allwöchentlich einige ‚Reels, Hornpipers‘ oder Fandangos abgehalten werden konnten. Dadurch wurde ein unternehmender Irishman aufmerksam gemacht, an die andere Seite der Kirche eine Branntweinkneipe setzen zu lassen.
Von dem untern Teil des andern Seitenflügels nahm ein Engländer Besitz, der sich mit einem schlauen New Hamshiremannvereinigte, Chinesen herbeizuschaffen, ein Geschäft, bei dem sich die beiden Gentlemen, wie sich bald zeigte, sehr gut standen. So ging es fort, und nicht lange dauerte es, so war die Mission außer dem obersten Bodenraum des einen Flügels vollständig in Anspruch genommen.
Der alte Pfarrer konnte nichts dagegen tun. Anfangs hatte er, nicht imstande, Gewalt anzuwenden, eine Anzahl Prozesse angestrengt, um die Lästigen aus dem frommen Haus abzuhalten, aber nur zu bald sollte er die traurigen Folgen kennenlernen, denn er fiel dadurch einer ganzen Schar von Geiern in die Hände, die alle Zahlung von ihm wollten, ohne daß sie aber das geringste für ihn ausgerichtet hätten.
Dadurch wurde ihm die heilige ‚Santa Lucia‘ verleidet, und eines schönen Morgens war er mitsamt seiner Wirtschafterin spurlos verschwunden. Es hatte auch niemand Lust, nach ihm zu forschen, und so blieb von den ursprünglichen Bewohnern nur Señor Carlos zurück, der mit seiner Frau und Anitta, seiner Tochter, ein paar kleine Stuben des Erdgeschosses neben der Brauerei bewohnte.
Aber auch der Bodenraum sollte einen Besitzer finden. Angeblich von Buenos Aires war ein Mann nach Sacramento gekommen, der aus Cincinnati stammte und sich Doktor White titulierte; ob er in Wirklichkeit Arzt sei, danach wurde er von niemand gefragt. Er wollte in Sacramento ein Hospital gründen, fand aber keinen geeigneten Platz dazu und kam nun zur Mission geritten, wo er die Dachräume, da er keinen Menschen fand, dem er sie abmieten konnte, einfach mit Beschlag belegte. Er war ein praktischer Mann, der recht gut wußte, daß in diesem Land das Recht des gegenwärtig Besitzenden nur schwer anzutasten war.
Schon am nächsten Tag traf eine Anzahl von Maultieren mit wollenen Decken und Matratzen ein, hinter welchen eine Schar von Mexikanern die nötigen eisernen Bettstellen herbeitrug. Noch vor Abend standen zwanzig Betten dort oben unter dem alten, defekten Ziegeldach auf dem offenen Boden, durch den der oft stürmische Wind nach allen Richtungen hin seinen Durchzug hatte und auf dem es zur Regenzeit eine ganze heillose, perennierende Überschwemmung gab. Das war nun das Hospital, welches seiner unglücklichen Patienten harrte.
Diese stellten sich auch nur zu bald ein.
So gesund das Klima in Kalifornien an und für sich auch ist, in den Minen gibt es doch stets der Kranken mehr als genug. Die wilde, unregelmäßige Lebensart trägt ebensoviel wie die schwere, für Tausende ungewohnte Arbeit und die vielen Regengüsse dazu bei, viele, besonders hitzige
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