08 - Old Surehand II
Sander lag so nahe und hatte ein so scharfes Gehör, daß ihm kein Wort entgangen war.
„Was ist's? Was gibt's?“ fragte Fire-gun.
„Leise, leise, daß die da drüben es nicht hören! Ich habe Euch gesagt, daß ich aufpassen will, Sir. Es fiel mir auf, daß Heinrich Sander und Peter Wolf – verteufelt klapperiger Name für die Zunge eines nicht deutschen Gentleman! – also es fiel mir auf, daß diese beiden sich so entfernt von uns niederlegten. Ich faßte Verdacht und schlich mich hin. Es gelang mir, ganz nahe an sie zu kommen, so daß mein Kopf fast zwischen ihren Köpfen lag, und da hörte ich sie flüstern.“
„Hast du verstanden, was sie sagten?“
„Ob ich sie verstanden habe oder nicht, das ist ganz und gar egal; aber ich hörte, daß dieser Sander der Kapitän einer Bande von Buschkleppern ist.“
„Ah! Wirklich?“
„Ich hatte also recht. Er ist nicht Euer Neffe, und der andre heißt Jean Letrier. Ihre Leute haben unser Lager entdeckt und wollen es überfallen. Sie haben sich sogar mit den Roten verbündet. Sander hat Euren wirklichen Neffen getroffen und ihm alles abgenommen, was er – – –“
Mehr hörte Sander nicht, denn mehr wollte und brauchte er nicht zu hören; er wußte genug und kroch schleunigst zu seinem Gefährten zurück.
„Wir sind verraten!“ raunte er ihm zu. „Nimm dein Gewehr und folge mir schnell zu unsern Pferden! Aber ganz leise, leise!“
Sie huschten fort, zwischen den Büschen hinaus nach dem kleinen, freien Platz, wo die Pferde angepflockt waren. Sie machten die ihrigen los und zogen sie langsam, sehr langsam fort, damit die Huftritte nicht gehört würden. Als sie sich so weit entfernt hatten, daß sie sich nun sicher fühlten, stiegen sie auf und ritten davon.
„Aber so sag doch endlich, was du erfahren hast!“ wurde Sander von Wolf aufgefordert.
„Später, später! Jetzt müssen wir jagen, förmlich jagen, um unsre Leute zu erreichen. In zwei Stunden sind wir dort, um sie zu holen, denn wir müssen diese Kerls noch heute nacht festnehmen. Dieser verdammte Hammerdull hat uns durchschaut; er kennt sogar deinen Namen Jean Letrier!“
„Aber woher doch?“
„Das weiß der Teufel! Vorwärts jetzt, vorwärts!“
Inzwischen hatte Hammerdull dem Colonel alles was von ihm erlauscht worden war mitgeteilt. Sie berieten leise miteinander, und Sam Fire-gun kam, trotzdem Hammerdull ihn zum sofortigen Handeln drängte, zu dem Entschluß:
„Jetzt nicht. Sie sind uns sicher. Du kannst dich leicht verhört haben.“
„Ich verlasse mich auf meine Ohren!“
„Vielleicht haben sie gar nicht von uns und sich, sondern von anderen gesprochen.“
„Sie sprachen von Euch, Sir, ganz gewiß von Euch!“
„So müssen wir dennoch bis früh warten. Wenn wir sie jetzt, in dieser Dunkelheit, ins Verhör nehmen, entkommen sie uns. Wir müssen unbedingt warten, bis es hell geworden ist. Da sehen wir ihre Gesichter, ihre Mienen, alle ihre Bewegungen. Sie ahnen doch nicht, daß du sie belauscht hast?“
„Nein.“
„Nun, da ist auch keine Gefahr im Verzuge, und wir können ruhig schlafen. Leg dich aufs Ohr!“
Hammerdull wollte noch eine Bemerkung machen, wurde aber fortgewiesen; er legte sich, verdrossen brummend, nieder und schlief trotz seines Ärgers sehr bald ein.
Auch die andern schliefen; selbst der stets vorsichtige Winnetou war davon nicht ausgeschlossen. Er hegte die Überzeugung, daß kein Ogellallah ihnen gefolgt sei, rechnete aber doch mit der Möglichkeit, daß er sich da irren könne. In diesem Fall war nach dem Gebrauch der Roten auch nicht jetzt, sondern erst gegen Morgen ein Angriff zu erwarten. Darum und weil er der Ruhe unbedingt bedürftig war, schlief er jetzt, wachte aber nach einigen Stunden wieder auf, ging zu seinem Pferd, führte es eine kleine Strecke in Richtung, aus welcher sie gekommen waren, zurück, ließ es dort frei weiden und setzte sich dabei nieder. Dies tat er, weil die Ogellallahs nur aus dieser Richtung zu erwarten waren; Sander und Wolf hatten sich, ohne daß er es wußte, in der entgegengesetzten entfernt. Sein Pferd hatte er nicht am Platz gelassen, sondern mitgenommen, weil es ein besserer Wächter als ein Mensch war.
Die Morgenluft erhob sich; sie wehte von daher, wohin Winnetou seine Aufmerksamkeit zu richten hatte. Da schnaubte sein Pferd. Es war jenes leise, nur aus einem einzigen Atemstoß bestehende Schnauben, womit es auf die Nähe eines verdächtigen Wesens aufmerksam zu machen pflegte. Zu seiner
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