08 - Old Surehand II
flüsterte Sander seinem Kumpanen zu:
„Dieser Kampf mit unseren roten Freunden war das Ungelegenste, was uns kommen konnte. Diese Weißen sind geradezu blind gewesen, daß sie unsere Spiegelfechterei nicht bemerkt haben! Gut, daß die Feuer brannten und die Roten uns erkennen konnten. Besser, viel besser wäre es gewesen, sie hätten mit diesem Überfall bis später gewartet und wären bei unseren Leuten geblieben. Sie konnten doch denken, daß wir nun bald kommen würden.“
„Sie wußten nicht, daß ich dich so schnell getroffen habe“, warf Wolf ein. „Sonderbar, daß wir beide einander so glückliche Botschaft bringen konnten!“
„Ja. Ihr habt endlich, noch dazu in meiner Abwesenheit, das lang gesuchte Lager von Sam Fire-guns Gesellschaft entdeckt, und es ist für uns von größtem Vorteil, daß die Ogellallahs uns bei dem Überfall helfen wollen. Aber gerade darum mußten sie ihren heutigen Streich aufschieben. Es wird bei Fire-gun so reiche Beute geben, daß wir uns vom Geschäft zurückziehen können.“
„Ja. Welche Menge von Gold sie zwischen den Big-Horn-Bergen gesammelt haben, das hast du ja als sein lieber ‚Neffe‘ von ihm selbst gehört. Und wenn wir dazu die großen Vorräte von Pelzen und Fellen rechnen, die sie angesammelt haben, so kommt die Beute heraus, wie sie so reich von unserer Gesellschaft noch nie gemacht worden ist. Dazu das große Glück, daß du mit dem echten Neffen des Colonel zusammengetroffen bist! Hast freilich einen großen Fehler begangen.“
„Welchen?“
„Daß du ihn nicht kaltgemacht hast.“
„Das war freilich eine Schwäche von mir; aber er war so aufrichtig und vertrauensselig; er beantwortete mir alle, alle meine Fragen und gab mir so bereitwillig Auskunft über seine intimsten Familienverhältnisse, deren Kenntnis mir nötig war, wenn ich seine Stelle einnehmen wollte, daß ich schwach wurde und mit seinem Geld und seinen Papieren davonging, ohne ihm das Leben zu nehmen.“
„Ich an deiner Stelle hätte ihn unschädlich gemacht.“
„Das ist er auch so schon.“
„Er ist dir sicher gefolgt!“
„Nein. Er ist ein Neuling im Land, hier vollständig unbekannt und – was die Hauptsache ist – hat kein Geld, keinen einzigen Cent mehr. Er ist also hilfloser und verlassener als ein Waisenknabe und kann mir weder folgen noch uns in irgendeiner Weise schaden. Die Hauptsache war, daß ich im gleichen Alter mit ihm stehe und daß Sam Fire-gun mich noch nie gesehen hat. Er glaubt es wirklich, daß ich sein Neffe bin.“
„Das ist wahr, mir aber nicht lieb.“
„Warum?“
„Weil wir nun, obwohl wir sein Lager endlich entdeckt haben, wahrscheinlich von unserem ursprünglichen Plan abweichen müssen.“
„Das Lager zu überfallen? Das ist nun freilich eigentlich nicht mehr nötig, denn als Neffe des Alten bekomme ich alles, was er hat.“
„Und wir anderen nichts! Nein, das gebe ich nicht zu. Wir haben uns monatelang geplagt, das Versteck zu entdecken, und nun es uns gelungen ist, sollen wir verzichten? Nein, nein!“
„Reg dich nicht auf. Wir kommen schon morgen früh ganz nahe an dem Lager unsrer Gesellschaft vorbei, und bis dahin können wir uns ja besprechen.“
„Meinst du, daß Sam Fire-gun diesen Weg einschlagen wird?“
„Ja. Er reitet jedenfalls direkt nach seinem Camp, und da muß er dort vorbei. Horch! Es muß jemand hinter uns im Gebüsch sein!“
Sie lauschten und vernahmen nach einiger Zeit ein leises Rascheln, welches sich von ihnen entfernte.
„Alle Teufel! Wir sind belauscht worden!“ flüsterte Sander seinem Kumpan zu.
„Es scheint so“, antwortete dieser ebenso leise. „Aber von wem?“
„Entweder von Fire-gun selbst oder von einem andern. Ich werde gleich erfahren, wer es gewesen ist.“
„Auf welche Weise?“
„Ich schleiche mich zu Fire-gun. Liegt er nicht an seinem Platz, so war er es.“
„Und wenn es ein andrer war!“
„So geht er zu Fire-gun, um ihm zu sagen, was er gehört hat. In beiden Fällen erfahre ich, was ich wissen will. Alle Wetter! Wenn diese Kerls mißtrauisch geworden wären! Bleib still liegen und warte bis ich wiederkomme!“
Er dehnte sich lang aus und wand sich durch das Gras behend und unhörbar hinüber nach der Stelle, wo der Colonel sich niedergelegt hatte. Er lag noch dort; aber da kam von der andern Seite leisen Schrittes Dick Hammerdull, bog sich zu ihm nieder, weckte ihn auf und sagte:
„Wacht auf, Colonel; aber seid still, ganz still!“
So leise er gesprochen hatte,
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