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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ließ mir aber nichts merken.
    Die Knaben blieben also im Freien; ich folgte mit Will Salters der Frau in das Haus oder vielmehr in die Hütte, deren Inneres aus einem einzigen Raum bestand.
    Da sah es denn höchst ärmlich aus. Ich war schon in mancher Blockhütte gewesen, deren Bewohner sich auf das Notwendigste zu beschränken hatten; hier aber war es schlimmer. Das Dach war höchst defekt, die Verstopfung der Zwischenräume in den Blockwänden verschwunden. Durch diese Löcher und Ritzen kroch das Elend ein und aus. Über dem Herd hing kein Kessel. Der Speisevorrat schien nur aus einer geringen Anzahl von Maiskolben zu bestehen, welche in einer Ecke lagen. Die einzige Kleidung der Frau bestand aus dem dünnsten verschossenen Druckkattun. Sie ging barfuß. Ihr einziger Schmuck war die Sauberkeit, welche trotz dieser Ärmlichkeit wohltuend an ihr auffiel. Auch ihr Sohn war höchst ungenügend gekleidet gewesen, doch jede zerrissene Stelle sorgfältig ausgebessert.
    Als ich auf das nur aus Laub bestehende Lager in der Ecke und dann in das bleiche, abgehärmte Gesicht dieser braven Frau blickte, kam mir, ohne daß ich es eigentlich wollte, die Frage über die Lippen:
    „Ihr habt Hunger, liebe Frau?“
    Sie errötete schnell und wie beleidigt; dann aber brachen plötzlich die Tränen aus ihren Augen, und sie antwortete, mit der Hand nach dem Herzen greifend:
    „O Gott, ich wollte gar nicht klagen, wenn nur Joseph sich sattessen könnte! Unser Feld trägt nichts, weil mein Mann es verwildern läßt; so sind wir also auf die Jagd angewiesen, die aber auch nichts bringt, weil Rollins den Wahnsinn hat, nur immer nach dem Schatz zu graben.“
    Ich eilte hinaus zu meinem Pferd, um meinen Vorrat an Dürrfleisch hereinzuholen, den ich ihr gab. Der gute Will Salters war ebenso schnell zu seinem Pferd und brachte auch seinen Vorrat herein.
    „O Mesch'schurs, wie gut ihr seid!“ sagte sie. „Man möchte euch gar nicht für Yankees halten.“
    „Da habt ihr, wenigstens in Beziehung auf mich, unrecht“, antwortete ich. „Ich bin ein Deutscher. Master Salters aber hat zwar nur von mütterlicher Seite deutsches Blut in den Adern, ist aber ein noch viel besserer Kerl als ich. Seine Mutter war eine Österreicherin.“
    „Herrgott! Und ich bin in Brunn geboren!“ rief sie aus, die Hände froh zusammenschlagend.
    „Also eine Deutsche! So können wir uns ja der Muttersprache bedienen.“
    „Ach ja, ach ja! Ich darf mit meinem Sohn nur heimlich deutsch reden. Rollins leidet es nicht!“
    „Ein schrecklicher Kerl!“ sagte Salters. „Ich will Sie nicht kränken; aber es ist mir ganz so, als ob ich ihm früher, vor Jahren, einmal begegnet sei, unter für ihn nicht ehrenvollen Umständen. Er hat eine große Ähnlichkeit mit einem Kerl, den man nur unter einem indianischen Namen kannte. Ich weiß nicht, was dieser Name bedeutet. Wie lautete er doch nur? Ich glaube, so ähnlich wie Indano oder Indanscho.“
    „Inta-ntscho!“ klang es vom Eingang her.
    Dort stand der junge Indianer. Er hatte natürlich nicht die deutschen Worte, aber doch den Namen verstanden. In seinem Auge glühte es flackernd auf. Als da mein Blick forschend auf ihn fiel, drehte er sich um und verschwand von der Tür.
    „Dieser Name ist dem Apatschischen entnommen, welches du nicht verstehst“, erklärte ich dem Gefährten. „Es bedeutet so viel wie ‚Böses Auge‘.“
    „Böses Auge?“ fragte die Frau. „Dieses Wort sagt mein Mann sehr oft, wenn er im Traum spricht oder in der Betrunkenheit dort in der Ecke sitzt und sich mit unsichtbaren Personen zankt. Er ist zuweilen über eine Woche lang fort. Da bringt er sich aus Fort Dodge drüben am Arkansas Brandy mit; ich weiß nicht, wovon er ihn bezahlt. Dann trinkt und trinkt er, bis er nicht mehr denken kann, und spricht von Blut und Mord, von Gold und Nuggets, von einem Schatz, der hier vergraben liegt. Wir getrauen uns dann Tage und Nächte lang nicht in die Hütte aus Angst, daß er uns umbringen werde.“
    „Sie unglückliche Frau! Wie sind Sie denn zu der Kühnheit gekommen, einem solchen Manne nach diesem Winkel der Wildnis zu folgen?“
    „Ihm? O, mit ihm wäre ich nie, niemals hierher gegangen. Ich kam mit meinem ersten Mann und dessen Bruder nach Amerika. Wir kauften Land und wurden von dem Agenten betrogen. Das Dokument, welches wir über den Kauf erhielten, war gefälscht. Als wir nach dem Westen kamen, hatte der rechtmäßige Eigentümer die Stelle schon seit Jahren bewohnt und bebaut.

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