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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gemerkt, daß Will nicht apachisch verstand, und bediente sich des Tonkawadialektes, zu deutsch: „Ich bin nicht krank“, nämlich im Kopf. Salters verstand ihn, nahm ihm aber die Worte übel und trat wieder in die Hütte. Ich benutzte diese Gelegenheit, dem ‚Kleinen Hirsch‘ zu zeigen, daß ich ihm seine früheren Antworten nicht geglaubt habe. Ich fragte ihn:
    „Welcher Fuß meines jungen Freundes ist krank?“
    „Sintsch-kah – der linke Fuß“, antwortete er.
    „Warum aber hinkte mein Bruder mit dem rechten Fuß, als er dort aus den Sträuchern kam?“
    Es glitt ein Lächeln der Verlegenheit über sein Gesicht, doch antwortete er schnell gefaßt:
    „Mein tapferer Bruder hat sich geirrt.“
    „Mein Auge ist scharf. Warum hinkt der ‚Kleine Hirsch‘ nur dann, wenn er gesehen wird? Warum ist sein Gang richtig, wenn er allein ist?“
    Er blickte mich forschend an, ohne zu antworten. Darum fuhr ich fort:
    „Mein junger Freund hat von mir gehört. Er weiß, daß ich die Fährte lese, daß mich kein Halm des Grases, kein Korn des Sandes zu täuschen vermag. Der junge Hirsch ist heute früh vom Berg herabgekommen und nach dem Fluß gegangen, ohne zu hinken. Ich habe seine Spur gesehen. Hat er auch jetzt den Mut, zu sagen, daß ich mich täusche?“
    Er senkte den Blick zur Erde und schwieg.
    „Warum sagt der ‚Hirsch‘, daß er nach den heiligen Steinbrüchen mit seinen Füßen gehe?“ fuhr ich fort. „Er ist von seinem Wigwam aus bis hierher geritten.“
    „Uff!“ antwortete er erstaunt. „Wie könntest du das wissen?“
    „Ist nicht der größte Häuptling der Apachen – mein Lehrer gewesen? Meinst du, daß ich ihm die Schande mache, mich von einem jungen Apachen, der noch kein Feuergewehr tragen darf, hintergehen zu lassen? Dein Tier ist ein Tschi-kayi-kle, ein Rotschimmel.“
    „Uff, uff!“ rief er zweimal als Ausdruck der höchsten Verwunderung.
    „Willst du den Bruder Intschu tschunas belügen?“ fragte ich vorwurfsvoll.
    Da legte er die Hand auf das Herz und antwortete:
    „Schi-itkli takla ho-tli, tschi-kayi-kle – ich habe ein Pferd, einen Rotschimmel.“
    „So ist es recht! Ich sage dir sogar, daß du heute früh beizeiten die ganze indianische Schule durchgeübt hast.“
    „Mein weißer Bruder ist allwissend wie Manitou, der große Geist!“ rief er aus, förmlich betroffen.
    „Nein. Du bis in Carrière geritten, mit einem Fuß im Sattel hängend und mit einem Arm am Halsriemen, deinen Körper an die eine Seite des Pferdes legend. Das tut man im Kampf, um sich vor den Geschossen des Feindes zu schützen, zur Friedenszeit aber nur, wenn man die volle Schule übt. Nur bei einem solchen Ritt ist es möglich, daß Mähnenhaare sich an Griff und Scheide des Messers verfitzen und, ausgerissen, hängenbleiben. Solches Mähnenhaar kann nur ein Rotschimmel haben.“
    Er fuhr mit beiden Händen nach dem Gürtel, an welchem das Messer in der Scheide lag. Daran hingen einige Haare. Ich sah trotz seiner indianischen Hautfärbung, daß er errötete, und fügte hinzu:
    „Das Auge des ‚Kleinen Hirsches‘ ist hell, aber noch nicht geübt genug für solche Kleinigkeiten, an denen doch oftmals das Leben hängt. Mein junger Bruder ist hierhergekommen, um den Besitzer dieses Hauses zu sehen. Hat er eine Blutrache mit demselben?“
    „Ich habe das Gelübde des Schweigens abgelegt“, antwortete er; „aber mein weißer Bruder ist der Freund des berühmtesten Apachen. Ich will ihm etwas zeigen, was er mir heute noch zurückgeben wird. Er kann davon sprechen, denn meine Stunde ist gekommen.“
    Er öffnete das Jagdhemd und zog ein wie ein Briefcouvert viereckig zusammengelegtes Leder hervor. Er gab es mir und schritt davon, nach dem Maisfeld zu, bei welchem jetzt der blonde Joseph stand. Ich sah noch, daß er diesen beim Arm ergriff und mit sich fortzog. Ich schlug das Leder, welches aus einem gegerbten Hirschfell geschnitten war, auseinander. Der Inhalt bestand aus einem zweiten Lederstück aus Büffelkalbfell, nur von den Haaren befreit, mit Kalk gebeizt und zur Pergament geglättet. Es war zweimal zusammengeschlagen. Als ich es auseinandergefaltet hatte, sah ich eine Reihe von Figuren, in roter Farbe hervorgebracht, in der Zeichnung ganz ähnlich der berühmten Felseninschrift von Tsitßumovi in Arizona gehalten. Ich hatte ein Dokument in Indianerschrift in den Händen, eine solche Seltenheit, daß ich gar nicht an das Entziffern dachte, sondern in die Hütte eilte, um Will Salters diesen

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