08 - Old Surehand II
Unser Geld war alle; es blieb uns nichts übrig, als vom Ertrag der Jagd zu leben. Dabei gingen wir immer weiter nach dem Westen. Mein Mann wollte nach Kalifornien. Er hatte von dem Gold gehört, welches dort gefunden wird. Wir kamen bis hierher, da ging es nicht weiter; ich war krank und erschöpft. Wir kampierten im Freien, fanden aber zum Glück nach kurzer Zeit diese Blockhütte. Sie war verlassen. Wem sie gehört hat, wissen wir nicht. Wir behalfen uns so, wie es eben gehen wollte. Aber der Gedanke an Kalifornien ließ meinem Mann keine Ruhe. Er wollte hin. Ich konnte nicht, und sein Bruder wollte nicht; er hatte Sehnsucht nach der Heimat. Gott allein weiß es, nach welchen schweren Kämpfen ich die Erlaubnis gab, daß mein Mann allein nach dem Goldland gehen möge, um sein Glück zu versuchen, während der Schwager bei mir bleiben solle. Er ist nie zurückgekehrt. Ein halbes Jahr nach seinem Weggang wurde mir mein Joseph geschenkt. Er hat seinen Vater nie gesehen. Er war drei Jahre alt, als der Schwager einst des Morgens auf die Jagd ging und nicht wiederkam. Einige Tage später fand ich ihn am Ufer des Flusses liegen. Er hatte eine Schußwunde im Kopf. Vielleicht ist er von einem Indianer ermordet worden.“
„War er skalpiert?“
„Nein.“
„So ist der Mörder ein Weißer. Wie aber haben Sie leben können?“
„Von dem kleinen Maisvorrat, den wir hier nebenan erbaut hatten. Dann kam mein jetziger Mann in diese Gegend. Er wollte jagen und dann weitergehen, blieb aber länger und länger und zuletzt für immer da. Ich war froh, ihn zu haben; ohne ihn wäre ich mit meinem Kind verhungert. Er ging hinüber nach Dodge City und ließ meinen Mann für tot erklären. Ich brauchte einen Beschützer und mein Sohn einen Vater. Rollins ist beides geworden. Einst aber hatte ihm von einem Schatz geträumt, der hier vergraben sei. Sonderbarerweise wiederholte sich dieser Traum so oft, daß Rollins nicht nur fest an die Existenz dieses Schatzes glaubt, sondern in einen förmlichen Wahn verfallen ist. Des Nachts phantasiert er von dem Gold und des Tages gräbt er nach dem Gold.“
„Wohl an dem Berg, an dessen Fuß die alten Platanen stehen?“
„Ja. Aber ich darf nicht mit hin und mein Sohn ebensowenig. Ich kann keinem Menschen sagen, wie unglücklich ich bin. Ich bete täglich und stündlich um Errettung. Wenn Gott doch helfen wollte!“
„Er wird helfen, wenn auch seine Hilfe Ihnen anfänglich Schmerz bereiten sollte. Ich habe so oft im Leben die Erfahrung gemacht, daß – – –“
Ich wurde unterbrochen. Joseph kam herein und bat uns, hinauszukommen und den Himmel zu betrachten. Wir folgten ihm, verwundert über dieses Verlangen. Der ‚Kleine Hirsch‘ stand draußen und blickte aufmerksam nach einem Wölkchen, welches fast scheitelrecht über unsern Köpfen stand. Sonst aber war der Himmel vollständig rein und ungetrübt. Joseph sagte uns, daß der Indianer dieses Wölkchen für uns sehr gefährlich halte. Der ‚Kleine Hirsch‘ sprach nämlich ganz leidlich englisch und konnte sich also dem weißen Knaben verständlich machen. Will Salters zuckte die Achsel und sagte:
„Dieses Zigarrenwölkchen soll uns gefährlich sein? Pshaw!“
Da wendete der Indianer den Kopf zu ihm hin und sagte nur das eine Wort: „Iltschi.“
„Was bedeutet das?“ fragte mich Will.
„Wind, Sturm!“
„Unsinn! Ein gefährlicher Wind, also eine Bö, kommt nur aus einem ‚Loch‘, das heißt, wenn sich der ganze Himmel schwarz umzogen hat und sich in dieser schwarzen Decke ein rundes, helles Loch befindet. Hier aber ist es umgekehrt. Der Himmel ist außer dieser Stelle vollständig ungetrübt.“
„Ke-eikhena-iltschi“, sagte der Indianer.
Jetzt wurde ich doch aufmerksam. Diese drei Worte bedeuten ‚der hungrige Wind‘. Der Apache bezeichnete mit diesem Ausdruck einen Wirbelsturm. Ich fragte den jungen Mann, ob er einen solchen befürchte. Er antwortete:
„Ke-eikhena-akh-iltschi.“
Das heißt ‚der sehr hungrige Wind‘ und bedeutet gar eine Windhose. Wie kam der Apache zu dieser Vermutung? Ich konnte an dem Wölkchen wirklich nichts Verdächtiges bemerken; aber ich wußte auch, daß diese Kinder der Wildnis einen wunderbaren Instinkt für gewisse Naturereignisse besitzen.
„Unsinn!“ meinte Salters zu mir. „Komm herein! Ich glaube gar, du fängst an, ein bedenkliches Gesicht zu machen.“
Da legte der Indianer sich den Finger an die Stirn und sagte zu ihm:
„Ka-a tschapeno!“
Er hatte wohl
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