08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
nächste Schiff nach Éireann hier einläuft.«
Pater Pol erwog das eine Weile und machte dann eine ablehnende Geste.
»Wer weiß, wann das ist? Jedenfalls könnt ihr doch kaum von einem Glaubensbruder verlangen, daß er eine Pilgerfahrt aufgibt, um sich gegenüber diesen Anschuldigungen zu verantworten? Was weißt du vom Recht, Schwester?«
»Schwester Fidelma ist Anwältin bei Gericht«, erklärte Murchad eilig.
Pater Pol sah sie interessiert an.
»Bist du Kirchenjuristin?«
»Ich kenne die Bußgesetze, bin aber Anwältin nach unseren alten weltlichen Gesetzen.«
Pater Pol schien enttäuscht.
»Aber das Kirchenrecht hat doch sicher Vorrang vor dem weltlichen Gesetz? In diesem Fall brauchtest du diese Anschuldigungen gar nicht zu berücksichtigen?«
Fidelma schüttelte den Kopf.
»So verfährt die Rechtsprechung in unserem Land nicht, Pater. Toca Nia hat eine der schwersten Anschuldigungen erhoben, die denkbar sind. Cian muß sich dagegen verteidigen.«
Pater Pol überlegte eine Weile und schüttelte dann ablehnend den Kopf.
»Als Führer der hiesigen Gemeinschaft wie als Vertreter der Kirche muß ich sagen, daß euer Gesetz auf dieser Insel nicht gilt. Ich kann nichts tun. Wenn Bruder Cian oder Toca Nia oder beide aus freiem Willen euer Schiff verlassen und hier bleiben wollen, bis ein Schiff nach Éireann ankommt, dann können sie das tun. Wenn sie woandershin reisen wollen, können sie das auch tun. Ich kann ihnen aber nichts vorschreiben oder sie hier festhalten, solange sie nicht gegen die Gesetze verstoßen, die auf dieser Insel gelten. Ihr müßt entscheiden, was das Beste ist.«
Murchad war sichtlich unglücklich.
»Es scheint«, sagte Fidelma zu ihm, »daß dir nur eine Wahl bleibt. Dein Schiff ist dein Königreich, Murchad, du herrschst dort unbeschränkt nach den Gesetzen der Fénechus. Es ist deine Schuldigkeit, Cian und Toca Nia auf deinem Schiff zu behalten und späterhin nach Éireann zurückzubringen.«
Murchad wollte etwas einwenden, doch Fidelma hob abwehrend die Hand.
»Ich sagte, es ist deine Schuldigkeit. Ich habe nicht gesagt, du bist dazu verpflichtet. Du mußt darüber entscheiden, was geschehen soll. Ich kann dir nur raten.«
Der Kapitän schüttelte niedergeschlagen den Kopf.
»Es ist eine schwierige Entscheidung. Wer entschädigt mich für das alles? Cian wird sich bestimmt weigern, seine Rückfahrt zu bezahlen, wenn er sie unter Zwang antreten muß, und Toca Nias Schmuck reicht auch nicht für das Fahrgeld. Ich muß nicht nur an mein eigenes Wohl denken, verstehst du, sondern auch an das meiner Mannschaft, die ernährt werden muß und ihre Familien zu unterhalten hat.«
»Wenn Toca Nias Anschuldigungen sich als berechtigt erweisen, dann müßte dich der König von Laigin entschädigen. Wenn nicht, kannst du eine Zwangsvollstreckung gegen Toca Nia beantragen.«
Murchad kämpfte immer noch mit sich.
»Ich glaube nicht, daß er über genügend Geld oder Grundbesitz verfügt. Das muß ich mir noch mal überlegen.«
Pater Pol klatschte in die Hände, um das Thema abzuschließen.
»Und während du das tust, Freund Murchad, können deine Passagiere an Land kommen, sich von den Strapazen der Seereise erholen und mit uns das Fest des großen Märtyrers meines Landes, Justus, feiern.«
»Das ist nett von dir, Pater Pol«, murmelte Murchad, der nach wie vor mit seinem Problem beschäftigt war.
»Ich möchte dir ebenfalls danken, Pater«, fügte Fidelma hinzu. »Es ist sehr freundlich von dir, daß du dir diese Mühe mit unseren Angelegenheiten machst.« Sie hielt inne. »Das Fest des Justus? Ich kenne verschiedene große Kirchenmänner dieses Namens, aber von einem Justus aus dieser Gegend habe ich noch nicht gehört.«
»Er wurde schon als Knabe getötet«, erläuterte Pater Pol. »Es geschah während der Christenverfolgungen unter Kaiser Diocletian. Er soll zwei andere Christen vor den römischen Soldaten versteckt haben und wurde deshalb getötet.«
Pater Pol erhob sich langsam, und Murchad und Fidelma folgten seinem Beispiel ebenso wie Gurvan, der sich am Gespräch nicht beteiligt hatte.
»Ich vermute, du willst frisches Wasser, Brot und andere Vorräte übernehmen?«
Der Kapitän bestätigte dies.
»Gurvan wird sich darum kümmern, Pater, und ich bringe meine Passagiere an Land, damit sie sich die Beine vertreten können.«
»Unser Gottesdienst für Justus beginnt bei Sonnenuntergang, und das Fest schließt sich daran an.«
Sie verabschiedeten sich für den
Weitere Kostenlose Bücher