08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
drüben auf die Riffe gelaufen«, gab sie ihnen auf ihre Proteste zur Antwort. »Für die armen Seelen an Bord gibt es anscheinend kaum Hoffnung.«
»Können wir nichts tun?« fragte Schwester Ainder. »Es ist doch unsere Pflicht zu helfen?«
Fidelma blickte zurück auf Murchad, der Befehle gab, und wehrte ab.
»Der Kapitän tut alles, was er kann«, versicherte sie der hochgewachsenen Nonne. »Ihr helft ihm am meisten, wenn ihr seine Anordnungen befolgt.«
»Dreh gegen den Wind, Gurvan! Treibanker raus! Kurs beibehalten! Klar zum Aussetzen des Skiffs!«
Diesem Wirrwarr von Befehlen entnahm Fidelma, daß Murchad versuchen wollte, Überlebende zu retten.
Als sie sah, daß ihre Gefährten, wenn auch widerwillig, unter Deck gingen, wandte sie sich an Murchad mit der Frage: »Können wir irgendwie helfen?«
Murchad schüttelte den Kopf.
»Überlaß das vorläufig uns, Lady«, erwiderte er kurz.
Fidelma wollte nicht zurück in ihre Kajüte, also suchte sie sich eine Ecke, in der sie vermutlich nicht im Wege wäre und beobachten konnte, was weiter geschah.
Gurvan hatte seinen Platz am Steuerruder einem anderen abgetreten und war mit zwei weiteren Matrosen dabei, das Boot – das Skiff hatte es Murchad genannt – in der kabbeligen See auszusetzen. Fidelma erkannte mit Bewunderung, daß jeder offensichtlich wußte, wo er zu stehen und was er zu tun hatte. Die »Ringelgans« hatte nun beigedreht und die Segel gerefft, und die Treibanker hielten sie ziemlich genau in Position. Fidelma begriff jedoch, daß sich in dieser See kein Schiff lange an einer Stelle halten konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann Murchad wieder Segel setzen und sein Schiff in Sicherheit bringen mußte. Die Riffe schienen schon gefährlich nahe.
Das kleine Boot setzte klatschend auf dem Wasser auf, Gurvan stand im Bug und gab den Kurs an, und mit zwei Matrosen an den Rudern schoß es durch die bewegte See auf die Riffe und die treibenden Wrackteile zu.
Fidelma beobachtete es gespannt.
»Ich glaube kaum, daß von denen einer überlebt hat«, sagte eine leise Stimme an ihrer Seite.
Wenbrit stand plötzlich neben ihr. Der Junge sah ganz blaß aus und betastete mit der Hand die Narbe an seinem Hals, die ihr schon aufgefallen war, als sie an Bord kam. Solche Furcht hatte sie noch nie in seinem Gesicht gesehen.
»Passiert so etwas oft auf See?«
Der Junge blinzelte, seine Stimme klang gepreßt.
»Daß Schiffe auf Felsen auflaufen, meinst du?«
Fidelma nickte.
»Oft. Viel zu oft«, antwortete der Junge. »Nur wenige laufen durch schlechte Schiffsführung auf, wegen Leuten, die keine Ahnung von der See und keinen Respekt vor ihr haben und die nie den Fuß auf eine Planke setzen sollten, geschweige denn ein Schiff führen und Verantwortung für das Leben von Menschen tragen. Viele gehen durch Wetter verloren, das man nicht beherrschen kann, durch Stürme und Gezeiten. Ein paar Schiffe gehen auch unter, weil die Mannschaft oder der Kapitän zuviel getrunken haben.«
Fidelma vernahm erstaunt die unterdrückte Heftigkeit im Ton des Jungen.
»Wie ich sehe, hast du viel darüber nachgedacht, Wenbrit.«
Der Junge lachte mit einer unerwarteten Härte auf.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?« fragte sie.
Wenbrit entschuldigte sich sofort.
»Nichts Falsches, Lady, es ist nicht dein Fehler. Jetzt kann ich es dir auch sagen. Murchad hat mir das Leben gerettet. Er holte mich aus der See bei einem solchen Schiffsuntergang wie diesem.« Er nickte zu den treibenden Trümmern hinüber.
Sie war überrascht. Nach einer Weile forschte sie: »Wann war das, Wenbrit?«
»Vor ein paar Jahren. Ich war auf einem Schiff, das infolge schlechter Führung auf Felsen auflief. Ich weiß nicht mehr viel davon, außer daß der Kapitän betrunken war und falsche Befehle gab. Das Schiff zerschellte. Murchad fischte mich ein paar Tage später aus dem Meer. Ich war an einem Stück Gräting festgebunden, sonst wäre ich ertrunken. Eins der Taue hatte sich um meinen Hals gewickelt. Die Narbe hast du ja wohl schon bemerkt.«
Nun verstand Fidelma, weshalb der Junge Murchad so tief verehrte.
»Du warst also bereits Kajütenjunge, als du noch ganz klein warst?«
Wenbrit lächelte freudlos.
»Haben deine Eltern das erlaubt?« fragte sie sanft.
Wenbrit blickte zu ihr auf. Sie sah tiefe Angst in seinen dunklen Augen.
»Mein Vater war der Kapitän.«
Fidelma bemühte sich, ihn ihr Erschrecken nicht merken zu lassen.
»Dein Vater war Kapitän?«
»Er war betrunken. Er
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