080 - Befehle aus dem Jenseits
entschlossen, mich zu erledigen. Ihre Stimmen klangen wutverzerrt.
Ich rannte gebückt zwischen den Felsen davon. Plötzlich erwischte mich ein Stein an der Schulter. Ich duckte mich, als weitere Steine unmittelbar neben mir aufprallten.
Sie werfen blind nach mir, erkannte ich. Sie wissen nicht, wo ich stecke. Atemlos verharrte ich einen Augenblick. Ich sah die dunklen Körper dicht vor mir auftauchen und krümmte mich noch mehr zusammen. Sie entdeckten mich nicht. Aufatmend folgte ich ihnen mit den Blicken.
„Er ist zum Friedhof runtergelaufen!"
„Quatsch!" rief ein anderer. „Er versteckt sich noch hier oben."
Die Stimmen entfernten sich. Erst jetzt wagte ich aufzustehen. Doch das war ein Fehler. Die beiden Frauen hatten mich erspäht.
„Hierher! Er ist noch hier oben!"
Ich sah irritiert zu ihnen hoch. Zurücklaufen konnte ich nicht. Ich mußte mich zum Friedhof durchschlagen. Von dort war es nicht mehr weit in die Stadt. Hier draußen war ich den Kerlen ausgeliefert.
„Jetzt bist du erledigt", stieß der Hüne frohlockend hervor.
Er hatte sich lautlos an mich herangeschlichen. Die anderen schrien auf, als er die Axt hochhob.
Ich wollte nach rechts ausbrechen, doch dort stand schon ein anderer., Er grinste übers ganze Gesicht. Auch zur Linken tauchten zwei Kerle auf. Sie hatten mich in der Zange.
„Verdammt noch mal!" schrie ich. „Was ist bloß in euch gefahren? Ihr seid wie reißende Wölfe. Ich habe euch nichts getan. Warum wollt ihr mich umbringen?"
„Das weißt du ganz genau", preßte der Hüne hervor. „Der Schamane lügt nicht."
Plötzlich peitschte ein Schuß durch die Nacht. Das Echo verlor sich in der Schlucht.
Der Hüne sah mich entsetzt an. Er stammelte ein paar Worte, dann ließ er die schwere Axt fallen, drehte den Kopf herum und sah auf seine rechte Schulter. Dort war ein Fleck, der rasend schnell größer wurde.
Ich schnappte mir die Axt und ging vor den anderen in Stellung.
Aus dem Hintergrund rief eine Stimme: „Ging doch wunderbar, Brüderchen Dämonenkiller? Das war ein Meisterschuß, den mir keiner so leicht nachmacht."
Kiwibin war mir gefolgt. Der schlaue Fuchs hatte sich bis zuletzt im Hintergrund gehalten. Das war typisch für ihn. Sein Motto schien zu lauten: Laßt die anderen die Kastanien für mich aus dem Feuer holen.
Kiwibin schob sich um einen Felsblock herum. Er hielt die Waffe in der Rechten und deutete damit auf den Hünen.
„Bist du wieder bei Sinnen, Kerl?"
Der Verwundete sagte keinen Ton. Er preßte die Zähne zusammen.
„Du wirst uns jetzt eine ganze Menge erzählen müssen", sagte Kiwibin gefährlich leise und holte ein Taschentuch hervor. „Steck dir das unter den Mantel! Mit einer Blutvergiftung nützt du uns nichts." Während Kiwibin die Männer in Schach hielt, holte ich die Frauen. Sie ließen sich willenlos abführen. Die eine weinte leise vor sich hin.
„Dunja - liegt unten in der Schlucht", wimmerte sie.
Ich sah hinunter. Die abgestürzte Frau war verschwunden. Dabei hatte ich sie vorhin selbst dort unten liegen sehen. Ob der Schamane sie geholt hatte?
Ich erzählte Kiwibin, was passiert war. Der Russe hob nur die Schultern und deutete mit der Pistole auf die Männer. „In der Dunkelheit hat eine Suche nach der Toten wenig Zweck. Und diese Burschen werden uns freiwillig kein Sterbenswörtchen verraten. Wir schaffen sie anschließend auf die Polizeikommandantur. Sollen die sich mit ihnen rumschlagen."
Kiwibin sollte recht behalten. Die Männer und Frauen, die wir beim Stelldichein mit dem geheimnisvollen Schamanen überrascht hatten, schwiegen zu allen Anschuldigungen. Sie blieben stumm und erwähnten nicht einmal den Tod ihrer Begleiterin.
Ein grotesker Spuk schien immer mehr Menschen in Saboroschje in seinen Bann zu ziehen. Die Gefängniszellen waren überfüllt. Selbstmordkandidaten, Leichenschinder und Unruhestörer warteten auf ihr Verhör. Die Polizei befand sich ununterbrochen im Einsatz. In den Krankenhäusern waren keine Betten mehr frei. Die Zahl derer, die Selbstmord verüben wollten, hatte sich drastisch erhöht. Es schien sich herumgesprochen zu haben, daß die Überlebenssärge im Falle eines Falles überhaupt nichts nützten. Kein Mensch schien sich unheilvollen Beeinflussungen entziehen zu können. Ich ebensowenig wie Kiwibin. Darauf baute ich meinen Plan auf. Ich wartete darauf, daß sich der Unheimliche direkt an mich wandte. Lange konnte das nicht mehr dauern, denn die Stimmung in der Stadt stand kurz vor der
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