080 - Die Vampir- Oma und ihre Kleinen
daß Roswitha eine Vorliebe für ausgefallene Sachen hatte.
Dann saßen sie sich schweigend gegenüber, sahen sich nur an. Heinz rauchte eine Zigarette. Roswitha spielte mit dem Weinglas, betrachtete die rote Flüssigkeit. Bei dieser Beleuchtung sah der Wein fast so aus wie Blut. Blut, nach dem ihre Mutter so gierte, das eine so große Rolle spielte bei ihren magischen Beschwörungen und Zaubersprüchen. Annie glaubte fest, daß Blut, besonders das Blut neugeborener Kinder, ihre dämonischen Kräfte fördere und verstärke.
Roswitha schüttelte die düsteren Gedanken ab. Dieser Abend gehörte Heinz. Sie war endlich aus dem Bannbereich ihrer Mutter, brauchte sie für ein paar Stunden nicht zu fürchten.
„Wir haben uns so lange nicht gesehen“, sagte Heinz. „Gehen wir doch in mein Hotel. Es gibt so viel zu reden.“
Roswitha lächelte. Aber es war nur eine Andeutung jenes spitzbübischen Lachens, das ihm so sehr an ihr gefallen hatte. Heinz zahlte. Sie fuhren in sein Hotel.
Heinz hatte ein geräumiges, guteingerichtetes Einzelzimmer, hell und freundlich, mit Balkon und Aussicht auf die bewaldeten Berghänge.
Er schloß die Tür hinter sich, sah Roswitha an.
Sie umarmten sich. Während Heinz sie leidenschaftlich küßte und immer wieder sagte, wie sehr er sie vermißt habe, verbannte Roswitha ihre Mutter und all ihren dämonischen Zauber aus ihren Gedanken. Sie wollte nur an die Gegenwart denken, das Gefühl der Geborgenheit genießen, das ihr Heinz gab.
Er küßte ihren Mund und ihren Hals. Roswitha schmiegte sich noch fester an Heinz. Jetzt nahm er sie auf die Arme und trug sie zum Bett.
„Heinz. Heinz.“
Sie liebten sich leidenschaftlich. Heinz konnte nicht genug bekommen von Roswithas schlankem, gutproportioniertem Körper. Und Roswitha suchte Vergessen im Rausch der Liebe. Während ihrer Schwangerschaft und auch nachher hatte sie keinen anderen Mann angesehen.
Erst nach einer langen Zeit ließen sie voneinander ab, lagen nebeneinander auf dem Bett, Körper an Körper. Roswitha drehte sich auf den Bauch, legte den Arm um seinen Hals. Zum erstenmal sah Heinz ihren Rücken.
Er schrak zusammen.
„Was ist denn das? Striemen, blutunterlaufen. Blaue, grüne und schwarze Flecke. Wer, um alles in der Welt, hat dich denn so zugerichtet, Roswitha?“
Sie verschloß ihm mit einem Kuß den Mund.
„Frag nicht soviel, Heinz. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, davon zu reden. Ich kann die ganze Nacht bei dir bleiben. Wir wollen nur an diese eine Nacht denken und alles andere vergessen.“
Nur schwer konnte Heinz den Blick von Roswithas mißhandelter Rückseite losreißen. Eine verschorfte Wunde hätte sogar ein Brandfleck sein können, doch das war ja wohl nicht möglich.
Heinz sah in Roswithas blaue Augen.
„Du wunderst dich sicher, weshalb ich so plötzlich herkam“, sagte er. „Ich habe nur drei Briefe von dir bekommen in der langen Zeit. Deshalb wollte ich wissen, ob du mich vergessen hast.“
Roswitha legte zwei Finger auf seine Lippen.
„Laß uns nicht davon reden.“
„Wir müssen davon reden, Roswitha. Ich habe bei meiner Firma einen Fünf Jahresvertrag unterschrieben. Wieder in Indien, in Rourkela. Eine einmalige Chance für mich. Jeder junge, ehrgeizige Ingenieur würde sich die Hacken ablaufen für den Job. Roswitha, willst du meine Frau werden? Willst du mit mir nach Indien kommen? Wir werden einen eigenen Bungalow haben, Eingeborene als Diener. Und wir werden zusammen sein, werden glücklich sein. Sag ja, Roswitha.“
Roswitha sah in die grauen Augen des Mannes, den sie liebte, und ehe sie überlegen konnte, drängten ihre heißen Wünsche ihr die Worte über die Lippen. „Ja, Heinz, o wie gern, wie gern.“
Wieder umarmte er sie leidenschaftlich. Sie spürte sein erneutes Verlangen nach ihr.
Erst als der neue Tag vor den Fenstern dämmerte, schliefen sie erschöpft ein. Roswitha wurde von einem Stöhnen geweckt. Sie knipste die Nachttischlampe an. Heinz war leichenblaß. Unzählige kleine Schweißtröpfchen standen auf seiner Stirn. Das Gesicht war vor Schmerz verzerrt.
„Heinz, Heinz, was ist denn?“
„Ach, diese Schmerzen. Mein ganzer Körper tut weh. Als bohrten Würmer im Mark meiner Knochen. Oh, es ist nicht auszuhalten. Diese Schmerzen! Diese Schmerzen! Ah.“
Als Roswitha sein schmerzerfülltes Stöhnen hörte, dachte sie an Annies Beschwörung. Panische Angst überkam sie, dann Resignation.
„Wir werden nie nach Indien kommen, Heinz“, sagte sie leise.
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