0800 - Das Orakel
als wäre er durch die Decke verschwunden.
»Hat er sich aufgelöst?«
»Das… das kam uns so vor. Nicht?«, sprach sie die anderen an, die jetzt erst eingriffen und alles bestätigten, was ihre Kommilitonin Suko erzählt hatte.
Die Worte und Erklärungen vermischten sich zu einem gewaltigen Durcheinander.
Für Suko stand fest, dass er eine Spur gefunden hatte. Und die andere Seite hatte davon gewusst. Ihr Kontrollmechanismus musste hervorragend funktioniert haben, und als sie merkten, dass sich der Ring um sie herum enger zog, hatten sie zugeschlagen.
Das Buch gab es nicht mehr.
Ein Haufen Asche, mehr war nicht zurückgeblieben; und damit war auch die Aufgabe des Horror-Reiters erledigt gewesen. Nur gut, dass er sich zurückgezogen hatte. Er hätte hier den Tod und auch das Grauen hinterlassen können.
Der Assistent mit der Fliege fuchtelte mit beiden Händen, ohne jedoch Ruhe zu schaffen. Die Studenten wollten auch nicht mehr, das Pflaster hier war ihnen zu heiß. Ein junger Mann gab das Kommando. Die anderen folgten ihm auf dem Fuß und verließen die Bibliothek.
Der Mann mit der Fliege kam zu Suko zurück. Er schwitzte und roch nach einem Parfüm. »Jetzt sind sie weg«, sagte er. »Alle sind verschwunden. Haben mich hier allein gelassen…«
»Ich bin ja noch bei Ihnen.«
»Aber was soll ich denn sagen?«, quiekte er.
»Wem?«
»Den Verantwortlichen. Da ist ein Buch verbrannt. Mitten auf dem Tisch.« Er deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger zuckend in die Richtung. »Dort hat es gelegen, dort.«
»Ja, und jetzt ist es Asche.«
»Glauben Sie das denn?«
»Was?«
Der Knabe rang die Hände. »Was da gesagt wurde.«
»Keine Ahnung. Wie heißen Sie eigentlich, Mister?«
»Moon, Sammy Moon.«
»Okay, Mr. Moon. Es sind hier Dinge geschehen, über die wir noch nachzudenken haben. Mögen sie Ihnen auch unwahrscheinlich vorkommen, man muss sie akzeptieren. Keiner Ihrer Studenten hat dieses Buch angezündet. Es ist aus anderen Gründen in Flammen aufgegangen, aber das ist eigentlich Nebensache. Für mich zählt nur, dass ich noch einmal Ihr Telefon benutzen darf.«
»Selbstverständlich können Sie das.«
»Danke, Mr. Moon.« Suko lächelte. Den Weg kannte er ja. Sammy Moon blieb zurück. Er schaute zu Boden, hob die Schultern und strich dann vorsichtig mit dem Finger über die dunkle Asche, als wollte er prüfen wie fest sie noch war.
Suko hatte mittlerweile die Nummer seines Büros gewählt und auch Glenda an die Strippe bekommen. »Hi, ich bin es. Wie sieht es bei dir aus, Glenda?«
»John ist noch nicht zurück.«
»Das meine ich auch nicht. Es geht mir um andere Dinge. Ich möchte erfahren, was du über die beiden Autoren des Buchs herausgefunden hast.«
»Einer ist tot.«
»Wer?«
»Ben Hubert. Lass mich doch mal ausreden, Suko. Er starb vor einem halben Jahr an Darmkrebs. Muss lange gelitten haben, wie man mir aus diesem Seniorenstift berichtete. Der andere lebt aber noch. Er ist auch um vier Jahre jünger als Hubert. Die beiden haben zusammen gewohnt. In einem Seniorenstift.«
»Das hört sich gut an, Glenda.«
»Klar, und wird noch besser. Dieses Seniorenstift findest du hier in London. Es liegt fast im Grünen, in der Nähe der Themse. Du brauchst gar nicht weit zu fahren. Falls du es besuchen willst, musst du an den Rand der Stadt. Mach dir ein paar schöne Stunden.«
»Die Adresse, Glenda.«
»Die bekommst du gratis dazu.«
Suko notierte sie und fragte Glenda, was denn in sie gefahren war.
Sie hatte so seltsam reagiert, war durcheinander und gar nicht mehr so sicher wie sonst.
»Ich mache mir eben Sorgen um John.«
»Der taucht schon wieder auf.«
»Weiß ich nicht. Aber ich habe bei Sarah Goldwyn angerufen. Es hat sich niemand gemeldet. So ist das. Deshalb mache ich mir Sorgen. Ich komme mir vor wie eine Fliege im Käfig, wo ich doch andere Dinge zu tun hätte, als hier im Büro zu hocken. Wahrscheinlich braut sich da eine Gefahr zusammen, und wir können nichts tun.«
»Keine Sorge, wir tun ja etwas.«
Glenda lachte und wurde dienstlich. »Okay, was darf ich notieren?«
»Dass ich mich auf den Weg zu einem Altersheim oder Seniorenstift gemacht habe.«
»Gut. Aber gib Acht, dass sie dich nicht dort behalten.«
»Keine Sorge. Ich war schon in meiner Kindheit als Ausreißer bekannt. Ich werde noch mal anrufen, wenn ich dort bin. Allmählich wundere ich mich auch über Johns Verhalten.«
»Kannst du nicht bei Sarah Goldwyn vorbeifahren, Suko?«
»Nein, das geht
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