0801 - Ruine des Schreckens
ungewöhnliches Gesicht, auch alterslos, als wäre es als Nebel der Urzeit entstiegen, um die Menschen in der Zukunft zu warnen. Das Gesicht war dicht und trotzdem verschwommen. Es zeigten sich die Ansätze von Augen, einer Nase, auch eines Mundes, und dort, wo es in die Dunkelheit eintauchte, da schimmerte punktuell das Licht der Himmelskörper hindurch.
Warum war es erschienen? Wie war so etwas überhaupt möglich? Das widersprach vielen Gesetzen und…
Seine Gedanken brachen ab. Er hatte zuerst über sich selbst lachen wollen, weil er plötzlich in eine Richtung dachte, die so verrückt war, dass er einfach lachen musste.
Sie waren aus einem bestimmten Grund hier. Sie suchten nach Spuren, die zu einem der größten Geheimnisse der Menschheit führen sollten. Ein Geheimnis, das den Namen Bundeslade hatte. Und damals war Moses auf den Berg gestiegen, um von Gott persönlich die Zehn Gebote entgegenzunehmen. Moses, einer der ganz Großen des Volkes Israel, auch wenn er später existiert hatte als die Stammväter.
Das Gesicht am Himmel…
Der Journalist wischte über seine Augen. Auf dem Rücken lag die Gänsehaut wie ein dünner Eispanzer. Sollte dieses Gesicht ein Abdruck des Moses sein, der ihn durch sein Erscheinen davor warnen sollte, auch nur eine Minute länger zu suchen?
Es war schrecklich, aber nicht unwahrscheinlich. Oder doch? David Stern war durcheinander. Bisher hatte er zu den Menschen gehört, die mit beiden Beinen auf der Erde standen. Als er jetzt in den Himmel blickte und dieses Bild sah, da kamen ihm doch Zweifel, da wurde er zu einem winzigen Sandkorn im Mahlstrom der Zeiten und Mysterien. Er wollte es nicht, trotzdem überkam ihn das große Zittern, und er zwinkerte einige Male mit den Augen, weil er in deren Winkel einen harten Druck spürte.
Tränen rannen hervor, aber er wischte sie nicht weg. Der Gedanke, hier etwas Einmaliges und Epochales zu sehen, zwang ihn in den Käfig der Bewegungslosigkeit. Das Gesicht des Moses.
Wahr, unwahr? Einbildung, möglicherweise ein Wunschtraum?
Die Begegnung mit dem Überirdischen, dem Unerklärlichen und dem außergewöhnlich Großen machte ihn langsam fertig und bescherte ihm weiche Knie.
Er hätte jetzt einen Halt gebrauchen können und war so damit beschäftigt, dass er seinen rechten Arm ausstreckte, aber die sich bewegende Hand fand keinen Widerstand. Sie griff in die Luft hinein, sodass Stern leicht ins Stolpern geriet, sich aber fangen konnte, den Oberkörper dabei zwangsläufig senkte, sich noch am Boden abstützte und sich dann in die Höhe drängte.
Stern schaute wieder hin.
Der Himmel war leer!
Kein Gesicht mehr, nicht einmal die Andeutung davon. Er sah jetzt aus wie immer. Vor seinen Augen verschwammen die klaren Sterne zu verwaschenen Punkten, er wischte das Tränenwasserweg und stöhnte leicht auf.
Dann senkte er den Kopf und schüttelte ihn, während der innere Druck in seinem Körper einfach nicht weichen wollte.
David Stern wusste in diesem Augenblick, dass es ein entscheidendes Erlebnis gewesen war, das ihn hier in dieser klaren Nacht heimgesucht hatte. Wahrscheinlich war es in der Lage, sein Leben zu verändern. Zumindest würde er neu nachdenken. Es war ihm, als hätte ihm der Anblick des verschwommenen Gesichts etwas mitgegeben, das für sein weiteres Leben entscheidend sein würde.
Beide Hände presste David gegen seine Wangen. Dabei schaute er zu Boden, wühlte das graue Haar durch, als wollte er sich daran festhalten. Es ging ihm einfach nicht aus dem Sinn, was er da gesehen hatte. Diese Ruine war für ihn zu einem Ort des Schreckens geworden, obwohl ihm der Anblick des Gesichts keine Angst und auch keinen Schrecken eingejagt hatte.
Da war noch etwas anderes dazugekommen.
Vielleicht doch ein neues Wissen?
Das hätte gut möglich sein können, und wenn alles so stimmte, wie er es sich gedacht hatte, dann war er wohl der einzige Mensch auf der Welt, der eine biblische und auch entscheidende Entdeckung gemacht hatte. Eine Offenbarung vielleicht.
Dies zu fassen und zu akzeptieren, fiel ihm schwer. Er wollte auch nicht allein darüber nachdenken. Jetzt war er froh, die beiden Engländer in der Nähe zu wissen, und auch seinen Kollegen Bill Conolly. Sie hatten schon viel erlebt, mehr als er, und sie konnten ihm möglicherweise einen guten Rat geben.
Die Stunde war zwar nicht um, erst die Hälfte, obwohl es ihm länger vorgekommen war, doch schlafen lassen wollte er sie nicht mehr. Sie mussten noch in dieser Nacht
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