0802 - Der Wächter
welche Weise auch immer. Das alte Kloster musste bekannt gewesen sein, möglicherweise auch die Mauer, nach der ich so intensiv suchte.
Bill stützte sich ab. Er nickte mir zu. »Okay, John, ich bin wieder okay. Packen wir es?«
»Ja!«
Er schlug mir auf die Schulter. Dabei lachte er. »Fast wie in alten Zeiten, nicht?«
Ich schaute ihn an und zwinkerte ihm zu. »Fast, Bill? Nein, es ist wie in alten Zeiten.«
»Dann kann ja nichts schief gehen.«
Diesmal bekam er von mir keine positive Antwort…
***
Suko hatte noch versucht, sich zur Seite zu werfen oder diesem Ritter durch ein schnelles Wegtauchen zu entgehen, aber die Kraft der Gestalt war einfach zu groß. Hinzu kam, dass er die in der Rüstung steckende Gestalt kaum zur Seite schieben konnte, sie war zu schwer, und dann hatte er für einen Moment das Gefühl, von einem Panzer aus Eis erwischt zu werden.
Das war genau der Augenblick, als er zusammen mit dem Ritter die Grenze durchbrach.
Sie taumelten hinein, nach hinten, wo sie plötzlich von einer anderen Welt umgeben waren. Eine Welt hinter der normalen und trotzdem noch im Kloster, wie Suko annahm, denn es hatte sich kaum etwas verändert. Er befand sich in einem Gewölbe mit einer relativ hohen Decke, das sehr düster war. Über den unebenen Boden stolperte er und er fing sich nur mit großer Mühe. Mit dem ausgestreckten Arm stützte er sich an der Wand ab, senkte den Kopf, schüttelte ihn, wollte die Beretta ziehen, als er sah, dass es nicht mehr nötig war, denn unmittelbar wurde er durch den Hüter nicht bedroht.
Der Ritter stand ungefähr dort, wo beide die Grenze durchschritten hatten. Er hielt das Schwert halb hoch, und in dieser Stellung war klar, was er wollte.
Kein Zurück mehr für Suko. Es sei denn, er würde sich anders entscheiden.
Suko interessierte sich nicht für den Ritter, sondern mehr für die Wand, die von innen anders aussah als von außen. Sie war dunkler, sah dicker und dichter aus, trotzdem glaubte Suko nicht so recht daran, dass sie aus normalem Stein bestand, sie war für ihn mehr eine magische Trennungslinie, die dennoch zwei normale Welten teilte. Er hatte keinesfalls den Eindruck, sich in einer anderen Dimension zu befinden. Diese Düsternis deutete einfach auf einen noch anderen Teil des Klosters hin, vielleicht auf einen, der immer versteckt gelegen hatte.
Da er noch lebte und auch nicht verletzt war, kehrte bei ihm die Neugierde zurück. Er war gespannt darauf, welche Überraschungen noch auf ihn warteten. Nur würde sie ihm der Ritter kaum erklären können, eine Kommunikation zwischen ihnen schien so gut wie unmöglich zu sein.
Es gab auch Licht an diesem unheimlichen Ort. Hier leuchteten keine Kerzenflammen, dafür waren an verschiedenen Stellen Schalen aufgestellt, beinahe so flach wie Teller. Über sie hinweg tanzten bläuliche Flammen, und sie schienen mit dem brennbaren Material auf den Schalen keine Verbindung zu haben.
Es musste Öl sein, dass die Schalen bedeckte, denn die Flammen brannten sehr blass. Manche von ihnen wirkten beinahe schon leichenblass.
Sie gaben nicht viel Licht. Zudem war es so gut wie schattenlos.
Keine tanzenden Teufel an den düsteren Wänden, dieses Licht passte sich der hier herrschenden Kälte an.
Eine Kälte, die Suko nur schlecht nachvollziehen konnte, denn sie kam mehr von innen. Die Kälte eines Grabs oder einer großen Krypta, in der er steckte.
Hier war wirklich eine andere Welt, wenn er sie mit der vor der Wand verglich.
Und der Ritter herrschte hier.
Ein untotes Wesen, ein uralter Hüter mit einem klumpigen Gesicht, das aussah, als wäre alter Pudding in den vorderen, offenen Helmausschnitt hineingedrückt worden. Das war kein Gesicht mehr, auch kein verwestes, das musste einfach etwas anderes sein.
In diesem versteckten Gewölbe des Klosters herrschte ein ungewöhnlicher Geruch. Zunächst hatte sich Suko darüber gewundert, später dann festgestellt, dass dieser Geruch wie ein widerlichsüßlicher Atem überall lag und in jede Ecke hineingekrochen war. Der Geruch war einfach da. So kam Suko zu dem Entschluss, das ihn der Wächter abgab.
Der »redete« auf eine besondere Art mit ihm. Er hob sein Schwert etwas höher, schwenkte es dann und deutete mit der Spitze in eine bestimmte Richtung.
Suko folgte mit seinem Blick.
Er sah nichts. Er glaubte auch nicht daran, dass diese Bewegung grundlos geschehen war, denn der Ritter ging genau zwei Schritte in diese Richtung, blieb stehen, um sich zu bücken, und griff
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