0803 - Im Folter-Keller des Vampirs
Kampfgefährten an. »Sie wird in eine Falle tappen. Ich hoffe, van Zant kann ihren Aufenthaltsort herausfinden.«
Nicole war sich sicher, dass dem Physiker das gelingen würde. Ein Blick in Zamorras Augen reichte aus. Er dachte in die gleiche Richtung wie sie.
An eine Heimreise war jetzt nicht mehr zu denken.
Im Gegenteil - ihr Amerika-Trip schien erst jetzt richtig zu beginnen.
***
Für einen sehr langen Moment war Khira Stolt sprachlos.
Was sie sah, wollte sich einfach nicht mit dem Bild decken, das in ihrem Kopf gespeichert war. Vor ihr stand Aron Cassianus in der geöffneten Tür, doch Khira erkannte ihn kaum wieder.
Vor einigen Jahren - waren es sechs oder schon sieben? - hatte sie den blinden Künstler und seine Schwester Melinda auf einer Ausstellung kennen gelernt. Aron war von schönen Frauen umlagert gewesen, doch als Melinda ihm die kleinwüchsige Biologin vorgestellt hatte, hatten er den Rest des Abends nur noch mit ihr verbracht. Irgendetwas an Khira hatte den Künstler sofort fasziniert.
Sie gehörte wie er zu einer Randgruppe, doch sie ging damit so souverän um, wie Aron es in dieser Form noch nie erlebt hatte. Vielleicht war es nur Seelenverwandtschaft, vielleicht mehr…
In dieser Nacht war Khira seine Geliebte geworden.
Die Liaison hatte keine drei Wochen gehalten, doch das hinderte weder Aron noch Khira daran, eine innige Freundschaft zueinander aufzubauen. Und beinahe noch fester war das Band zwischen der Kleinwüchsigen und Arons Schwester. Der Begriff beste Freundin passte in diesem Fall perfekt.
Khira hatte gehört, dass Aron an einer schweren Krankheit litt, die ihn schon bald an einen Rollstuhl fesseln sollte. Doch laut den Artikeln der Yellow Press ging er souverän damit um. Man hatte ihn zwar schon mit Gehhilfen gesehen, doch das war es auch schon.
Und jetzt… Khira hatte einen zwar angezählten, doch noch längst nicht knockout geschlagenen Enddreißiger erwartet, der bereit war, bis zum letzten Gongschlag zu kämpfen. So hatte sie Aron kennen gelernt. Einer, der nie aufgab und das Leben trotz allen Rückschlägen liebte und genoss.
Was sie vorfand war ein Greis, der sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte.
Endlich fand sie ihre Stimme wieder. »Der weiche Stein hat nach mir gerufen. Hier bin ich.«
Cassianus blinde Augen starrten in die Leere und es schien, als würde er den Sinn der Worte nicht verstehen. Weicher Stein war Arons Kosename, den die Biologin ihm verpasst hatte. Nach außen gab er sich als weltgewandter Künstler, der seinen Weg unbeirrt ging. Doch in seinem Inneren war er schwach und verletzlich.
»Du bist also wirklich gekommen.«
Khira glaubte sich verhört zu haben. Was war das für eine Begrüßung? Schwang da nicht sogar etwas wie Enttäuschung mit? Sie musste sich ganz einfach irren.
»Komm herein. Ich… ich arbeite gerade. Du kennst dich hier ja aus. Nur ein paar Minuten, dann bin ich bei dir.«
Plötzlich war es, als ginge ein Ruck durch den ausgemergelten Körper des Bildhauers. Er wandte sich um und verschwand in seinem Atelier. Khira stand ratlos in der noch immer geöffneten Tür. Irgendetwas in ihr drängte sie fortzulaufen. Doch das konnte sie nicht - es war kaum zu übersehen, dass Aron ihre Hilfe brauchte. Vielleicht war diese seltsame Art, die er hier zeigte, eine Marotte. Vielleicht sogar eine Begleiterscheinung seiner Krankheit?
Leise schloss die Biologin die Wohnungstür hinter sich.
Sie musste Aron Zeit lassen. Sicher würde auch Melinda bald hier auftauchen.
Khira machte es sich in Arons Büro bequem. Lange würde er sie sicher nicht warten lassen.
***
Aron Cassianus arbeitete an den letzten Feinheiten der Statue.
In seinem Kopf rasten die Gedanken. Der fremde Wille hielt seinen Körper aufrecht, damit er das Werk vollenden konnte. Aron wusste längst, dass ihn seine gesamte Lebenskraft verlassen würde, wenn er vollbracht hatte, was man von ihm verlangte. Er würde erschöpft zusammenbrechen und sterben. Er hatte sein Ende gesehen, als er den Stein zum ersten Mal berührt hatte. Es war unausweichlich.
Doch ein Teil seines Bewusstseins war bei Khira… und bei Melinda.
Was würde nach seinem Tod mit den beiden Frauen geschehen? Vor allem jedoch quälte ihn eine Frage: Konnte er noch etwas für sie tun? Bei Melinda war jede Hilfe zu spät. Aron hoffte nur, dass ihre neuen Artgenossen gut mit ihr umgingen. Der Schmerz über den Verlust der Schwester saß tief in seiner Seele. Und Khira? Warum hatte er sie hierher
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