0803 - Im Folter-Keller des Vampirs
bestellen müssen? Er hasste sich dafür, sie hergelockt zu haben. Auch wenn es gegen seinen Willen geschehen war, fühlte er sich schuldig.
Als sie vorhin dicht vor ihm gestanden hatte, war der Impuls in Aron übermächtig geworden ihr einen kräftigen Stoß zu versetzen, der sie aus der Wohnung katapultieren musste. Aber er hatte es nicht gekonnt. Sein freier Wille war absolut erlahmt. Ein anderes Bewusstsein bestimmte seine Handlungen.
Cassianus Fingerspitzen glitten über den Stein. Es war nun soweit. Er hatte die erzwungene Aufgabe vollendet. Doch noch immer verschloss sich ihm die Form dessen was er geschaffen hatte gänzlich. Er wusste nur, dass das Werk perfekt geraten war. Was es darstellte, konnte er nicht einmal ahnen. So sehr er seinen Tastsinn auch bemühte… Details konnte er erkennen, der Rest lag hinter einer Nebelwand verborgen.
Da war keine Stimme in seinem Kopf, die ihm Anweisungen gab, kein Raunen oder Flüstern. Langsam legte Cassianus den feinen Meißel aus der Hand. Und plötzlich war die ganze Schwäche seines Körpers wieder präsent. Nur mit den Krücken schaffte er es, sich aus dem Atelier zu bewegen.
Nein, niemand gab ihm Befehle. Er wusste auch so nur zu genau, was der fremde Wille nun von ihm verlangte.
Und Aron war klar, dass er auch diesen letzten Befehl ausführen würde.
***
Khira Stolt wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger.
Aron saß ihr gegenüber und starrte sie an. Seine blinden Augen klebten fest an ihr. Seit einer Viertelstunde hatte er kein Wort gesprochen. Sie musste keine Psychologin sein, um zu erkennen, dass ihr Freund in seinem Inneren einen Kampf mit sich selbst ausfocht.
»Aron, wo ist Melinda?«
Khira erhielt keine Antwort, doch ihre eigene Anspannung ließ diesen Schweigemarathon nun nicht mehr zu. Was geschah hier? Sie wollte es nicht glauben, doch das Gefühl, in so etwas wie eine Falle gelaufen zu sein, wurde übermächtig. »Vielleicht ist es besser, ich lasse dich jetzt erst einmal alleine. Ich kann ja in einigen Stunden…«
»Bleib sitzen!«
Die beiden Worte kamen wie Peitschenhiebe. Noch immer schlug Khiras Sinn nicht an. Hier gab es offensichtlich keine vampirischen Aktivitäten. Nicht einmal in der Umgebung des Hauses konnte sie etwas orten. Doch Aron war eindeutig nicht er selbst. Es musste eine Falle sein.
Panik stieg langsam in der Biologin hoch. Sie musste hier verschwinden, und Aron sollte in seinem körperlichen Zustand kein großes Hindernis für sie sein.
Khira nahm allen Mut zusammen.
»Nein, das werde ich nicht. Ich werde jetzt dort durch die Tür gehen. Du wirst mich nicht daran hindern, Aron. Versuch es besser erst gar nicht.«
Mit einem Ruck stand sie auf.
Das gummiüberzogene Ende von Arons Krücke traf sie hart gegen die Brust und ließ sie in die Polster zurückfallen. Für Sekunden rang die Kleinwüchsige nach Atem.
»Du gehst nirgendwo hin, Khira. Für dich gibt es jetzt nur den einen Weg. Folge mir.« Arons Körper schien um zwanzig Jahre verjüngt zu sein, als er nun aufstand und in Richtung Atelier ging. Khira konnte nicht ahnen, was sie dort sollte, doch sie fühlte nun ganz deutlich, dass das Verderben in diesem Raum auf sie lauerte.
Aron mochte zwar körperlich wieder fit sein, doch nach wie vor war er blind. Khira schämte sich, doch es blieb ihr keine andere Wahl als diese Tatsache zu nutzen. Als Cassianus drei Meter von ihr entfernt war, wandte sie sich um und bewegte sich geräuschlos wie eine Feder zur Wohnungstür.
Khira erinnerte sich noch gut, dass Aron früher oft gesagt hatte, sie hätte eine gute Späherin abgegeben. Selbst sein hochsensibler Gehörsinn konnte ihre Schritte oft nicht wahrnehmen. Zum einen wog die Kleinwüchsige nur wenig, zum anderen hatte sie diese Art der Fortbewegung in ihrer Kindheit verinnerlicht. Mehr als einmal war sie so wütenden Attacken der Vampire entkommen, die den Hof ihrer Eltern zu einem Gefangenenlager gemacht hatten.
Noch drei Schritte… noch zwei… Khira streckte die rechte Hand aus. Gleich würde sie die Klinke herunterdrücken und sich schleunigst aus dem Staub machen. Ihr Handy fiel ihr ein - sie musste es nur aktivieren, dann konnte sie sofort Kontakt zu Artimus und Zamorra aufnehmen. Alles weitere würde sich ergeben.
Das kühle Metall der Türklinke fühlte sich gut an.
Ein heftiger Schmerz fuhr in ihre Kniekehlen! Khira knickte ein und fiel hilflos zu Boden. Instinktiv rollte sie sich zur Seite und kam auf dem Rücken zu liegen. Entsetzt registrierte sie,
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