0803 - Im Folter-Keller des Vampirs
durch die Gekettete. Khira sprang zurück. Ketten oder nicht, sie wollte auf keinen Fall in der Reichweite der Vampirin sein. Als die Frau den Kopf hob, verwünschte Khira erneut die diffuse Beleuchtung. Irgendetwas in diesen Gesichtszügen kam ihr bekannt vor, war ihr seltsam vertraut. Doch sie konnte die entsprechende Schublade in ihrer Erinnerung einfach nicht finden.
Die Laute, die aus dem Mund der gequälten Frau kamen, waren nichts weiter als unverständliches Krächzen. Immer wieder schüttelte ein krampfhafter Husten ihren Körper durch; ihr Atem ging rasselnd wie der eines Asthmatikers. Dann jedoch war es Khira, als wären dazwischen ein Wort gewesen, dessen ganz bestimmte Modulation ihr einen heftigen Stich in der Magengrube versetzte.
Khira… sie hatte ihren Namen genannt! Und die Biologin kannte nur eine Person, die ihren Vornamen mit der Betonung auf dem A aussprach.
Nur eine einzige Person hatte das stets so getan. Und in der nächsten Sekunde wusste die Kleinwüchsige, wen sie vor sich hatte.
»Melinda? Bei allen Heiligen… Melinda, bist du das?«
Khira schaffte es nicht, ihr Herz von ihrem Verstand steuern zu lassen und kniete sich direkt vor die Nackte hin. In dieser Sekunde begab sie sich bedenkenlos in große Gefahr.
Mit ihren Händen umfasste sie das Gesicht der Frau, um deren Mund sich ein Lächeln gelegt hatte. Die Züge der Freundin waren verhärmt, von Falten und Abszessen übersät, doch die Augen sprachen eine deutliche Sprache.
Khira hatte Aron Cassianus Schwester gefunden!
Es war ein kaum vernehmbares Zischen, das aus der Kehle Melindas drang, und eine winzige Bewegung ihrer Oberlippe, doch Khiras Instinkt reagierte blitzschnell. Mit einem Ruck ließ sie sich nach hinten fallen und rollte sich seitlich in eine sicherer Entfernung zu ihrer Freundin.
Die Zähne Melindas schnappten ins Leere. Wütend riss sie an ihren Ketten, die sie daran hinderten, ihr Opfer doch noch zu erreichen. Als sie die Sinnlosigkeit ihrer Versuche einsah, sackte sie wieder in sich zusammen. Ein hysterisches Lachen drang tief aus ihrem Brustkorb.
»Komm schon, Khira… ich habe doch nur Spaß gemacht. Komm wieder zu mir. Nimm mich in die Arme, bitte! Ich bin so froh, dich hier zu sehen. Jetzt wird sicher alles wieder gut werden.«
»Warum bist du hier angekettet, Melinda? Warum tun dir die Vampire das an?«
Khira ging nicht einen Millimeter auf Melinda zu. Spaß? Zu viele Jahre hatte die Biologin mit Vampiren leben müssen. So etwas wie Spaß existierte in deren Vokabular nicht.
Langsam begann Khira alles zu verstehen. Sarkana hatte Aron erpresst. Ein besseres Pfand als Melinda konnte er dazu überhaupt nicht finden, denn Cassianus hatte alles für seine Schwester getan. Und Khira konnte ihm auch keinen Vorwurf machen, dass er sie in diese Falle gelockt hatte.
Sicher hatte er wirklich geglaubt, dass der Vampirdämon Melinda gut behandeln würde, wenn Aron ihm Khira ausgeliefert hatte. Was für eine grässliche Ironie - Aron war tot, Melinda wurde gequält und Khira war Gefangene der Vampire. Arons Hoffnungen hatten sich somit allesamt ins Negative gekehrt. Zumindest hatte er bereits hinter sich, was den beiden Frauen wohl noch bevorstand.
Melinda kicherte irre. »Sie lassen mich verdursten, Khira. Und das ist deine Schuld. Sie haben gesagt, ich werde hier elend verrecken, wenn Aron dich nicht zu Sarkana bringt.« Gierig riss sie den Kopf zur Seite und biss sich in den rechten Arm. Ihr eigenes Blut rann in einem dünnen Rinnsal an ihrem Kinn herab.
Angewidert schloss die Finnin die Augen. Sie hatte von solchen Geschichten gehört. Vampire, die ihren Durst nicht stillen können, vergehen sich am eigenen Blut. Das kann die Gier zwar nicht wirklich stillen, doch es lindert den sengenden Durst für ein paar Augenblicke ein wenig.
Die Wunden an Melindas Armen… sie hatte sie sich alle selbst geschlagen. Wenn es stimmte, was Khira darüber wusste, dann kam anschließend die letzte Phase, in welcher der Vampir seinen Verstand verlor und tatsächlich vor Durst verendete.
Wenn sie Melinda ansah, dann schien es, als wäre sie von diesem Stadium nicht mehr weit entfernt. Ihre Worte kamen hektisch und abgehackt. »Aber nun bist du ja da. Bald wird Sarkana mich gehen lassen… trinken, ich muss trinken, Khira! Und dann besuche ich Aron.« Ihre Augen begannen zu leuchten. »Vielleicht… vielleicht wird doch noch alles gut, nicht wahr? Sag doch. Es kann doch noch alles gut werden, oder?«
Khira spürte, wie
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