0803 - Meleniks Mordnacht
Goldfäden hingen.
»Okay, wie geht es dir?«
Er musste mich gehört haben, nur reagierte er nicht. Er saß da und starrte ins Leere, obwohl sich die Wand dicht vor ihm befand.
Seine Augen hatten einen irgendwie glasigen Ausdruck angenommen, der Mund bildete einen zuckenden Strich.
»Lass ihn, John, er steht noch unter dem Einfluss des Erlebten. Würde mir auch schwerfallen, etwas in diesem Zusammenhang zu sagen.«
Ja, das stimmte irgendwo. Bills Worte veranlassten mich auch, ein Resümee zu ziehen.
Wir hatten viel erfahren, im Prinzip aber waren wir kaum einen Schritt vorangekommen. Eine geheimnisvolle Figur war aus dem Nebel der Geschichte aufgetaucht, Melenik mit Namen und der Sohn legendärer Eltern. Er selbst war im Strudel der alttestamentarischen Mystik fast völlig verschwunden und nur Eingeweihten bekannt, aber wir waren durch die Vorgänge dazu gezwungen worden, uns mit ihm zu beschäftigen.
Was wir hier erlebt hatten, das würde sicherlich auch die Weiße Macht, den Geheimdienst des Vatikans, interessieren, die ja auch auf der Suche nach den biblischen Ursprüngen war. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass in den Archiven des Vatikans mehr Informationen über die Zeit lagerte, mit der wir uns beschäftigen mussten.
Wenn mich jemand gefragt hätte, ob ich von der Wand und deren Botschaft enttäuscht gewesen wäre, dann hätte ich nicht unbedingt mit einem Ja antworten können. Sie hatten schon etwas gebracht, und ich erinnerte mich wieder an das letzte Bild, das ich bewusst auf ihr gesehen hatte. Da war etwas von einer Bedrohung zu erkennen gewesen, denn aus dem Hintergrund hatte sich die Düsternis gelöst, um sich weiter nach vorn zu schieben.
Suko ging es wieder besser. Zwar fühlte er sich noch ausgelaugt, was wir ihm ansahen, er brauchte nicht unbedingt unseren Schutz.
Ich ließ ihn los und stellte mich aufrecht hin.
Ich drehte mich langsam um. Ich sah die Wand. Und ich erschrak!
***
Die gesamte Szene wurde von den Schwingen des Bösen beherrscht, das war genau zu spüren, denn aus dem Hintergrund näherten sich schreckliche Gestalten. Drachenartige, dämonische Wesen mit breiten Flügeln und furchtbaren Köpfen. Verzerrte Gesichter, grausame Fratzen, manche blutend und mit aufgerissenen Mäulern.
Einer unter ihnen stach besonders hervor. Wobei ich nicht davon ausging, dass es sich dabei um einen Dämon handelte, er war ein Mensch, er sah aus wie ein Mensch und wirkte trotzdem, als wäre er aus tief grauer Asche hergestellt worden.
Er stand auf einem hohen Felsen, nackt bis auf einen Lendenschurz. Sein Haar war lang und schwarz. Ich konzentrierte mich auf das Gesicht, das durchaus negroide Züge zeigte. Seine Haut war braungrau, und sie überspannte einen Körper, der auch einem Modellathleten hätte gehören können.
Breitbeinig stand er da. Das Haar wehte im Wind. Der Staub umflorte ihn, die dämonenhaften Wesen gehorchten ihm, als er seine Hände bewegte. Er führte die Arme anschließend nach oben, bis sie die Kopfhöhe erreicht hatten. Dann sanken sie herab.
Nicht sehr schnell, normal. Während dieser Bewegung verzog sich sein breites Gesicht mit den schwarzen Kohleaugen zu einer düsteren Grimasse. Er hatte auch den Mund geöffnet, wahrscheinlich schrie er die Befehle hinaus, doch vor unseren Augen lief nach wie vor dieser erschreckende und jetzt blutig werdende Stummfilm ab, der uns ein Geschehen zeigte, das in der tiefen Vergangenheit schon einmal so abgelaufen war.
Ich fragte mich natürlich, ob die Gestalt, die ganz sicher Melenik war, auch zu den Kreaturen der Finsternis zählte. Vorstellen konnte ich es mir durchaus, denn er hatte sich schließlich auf die Seite der Erzdämonen geschlagen.
Melenik war der Meister der Panik, denn die Menschen, die ihn sahen, erlebten das Grauen.
Meleniks Dämonenwesen griffen an.
Sie kamen aus der Luft, aber andere hatten sich im Boden vergraben, und plötzlich brach die Erde an verschiedenen Stellen auf. Gewaltige Staubwolken wirbelten in die Höhe, vereinigten sich zu regelrechten Pilzen, um anschließend, beim Zusammenfallen, die monströsen Mordkreaturen zu entlassen.
Sie stürzten sich auf die Menschen.
Sie waren wie irre geleitete Tiere, und sie bewegten sich auch ebenso schnell. Innerhalb der Staubwolken waren sie kaum auszumachen, nur hin und wieder tauchten die monströsen Körper oder die schrecklichen Fratzen auf, bevor sie wieder verschwanden.
Viel besser sah ich das Blut.
Es spritzte in die Höhe, ich sah Fontänen,
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