0804 - Das Teufelstor
Partnerin antreten zu müssen. Denn nach dämonischem Ermessen konnte es für sie keine Rettung mehr geben, keinen Weg zurück. Denn dazu hätte sich das Tor nach Ash’Tarr wieder öffnen müssen. Das würde aber nicht geschehen. Der einmal eingeleitete Prozess, die Ash’Tore zu schließen, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
Das war es, was Lucifuge Rofocale hatte überprüfen wollen.
Alles verlief nach Plan.
***
Nicole war gut durchtrainiert.
Das war die ganz normale Folge der ständigen Einsätze im Streit gegen die Kräfte der Dunkelheit. Ihr Training war die harte Realität. Keine Spielereien an irgendwelchen hochtechnisierten Muskelkisten, sondern Kampf um das eigene Leben war an der Tagesordnung.
So leicht brachte sie da nichts aus der Fassung - hatte sie bisher zumindest gedacht. Diese Hetzjagd durch die Gassen der Stadt, immer darauf achtend, dass die Söldner ihr nicht zu nahe kamen und sie den Blickkontakt zu dem jungen Burschen vor sich nicht verlor, brachte sie allerdings tatsächlich an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit.
Nach und nach schien den Soldaten die Luft auszugehen, oder ihnen fehlte ganz einfach die Lust, sich völlig zu verausgaben, nur um ein Kind und eine fremde Frau zu erwischen. Der Junge allerdings hätte ganz sicher noch viel schneller sein können. Diesen Eindruck hatte sie ganz deutlich. Immer wieder sah er sich nach seiner Lebensretterin um und hielt dann inne, bis er sicher sein konnte, dass sie seine Spur nicht verlor.
Irgendwann wurde Nicole dann klar, wo diese Hatz enden musste.
Sie näherten sich immer mehr der düsteren Burg, die den gesamten hinteren Teil der Stadt einnahm. Dann war es soweit. Der Junge blieb vor einer winzigen Tür stehen, die man erst auf den zweiten Blick als solche erkannte. Mit der Faust schlug er in einem ganz bestimmten Rhythmus gegen die geschwärzten Holzbohlen, aus denen die Pforte bestand. Wie von Geisterhand bewegt öffnete sie sich nur einen Herzschlag später. Der Junge winkte Nicole zu. Irgendwo hinter ihr hörte sie schnaufend die Söldner näher kommen. Ob sie noch auf der Jagd waren oder nur in die Burg zurück wollten, spielte keine Rolle. Sie durften die Französin auf keinen Fall hier entdecken.
Schulterzuckend trat Nicole ein - und wurde von Dunkelheit empfangen. Die Tür schloss sich geräuschlos. Eine kleine Hand tastete nach Nicole.
»Komm. Ich führe dich. Gleich können wir Licht machen.«
Für eine Sekunde überlegte Nicole, welche andere Wahl sie wohl hatte? Wohl keine. Dann setzte sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
Der Boden war ziemlich uneben. Nicole musste aufpassen, in der Finsternis nicht zu stolpern. Plötzlich stoppte ihr Führer durch die Dunkelheit. Flüsternde Stimmen drangen an ihr Ohr. Kinderstimmen, ohne Ausnahme. Unvermittelt flammten mehrere Fackeln auf und blendeten für Sekunden Nicoles Augen, die sich an die Lichtlosigkeit gewöhnt hatten.
Erst langsam konnte sie erkennen, wo sie hier war. Und wer bei ihr war.
Der Raum war fensterlos. An seinen Seitenwänden standen ein Dutzend Holzpritschen; in der Raummitte gab es einen quadratischen Tisch, um den herum ein paar altersschwache Hocker standen. Mehr an Einrichtung war nicht vorhanden. Und auf jeder der Pritschen saß mindestens ein Kind, meist sogar zwei oder mehr davon - Jungen und Mädchen der verschiedensten Altersgruppen. Nicole drehte sich um die eigene Achse, um die Kinder zu betrachten, die sie teils fröhlich angrinsten, teils mit skeptischen Blicken bedachten.
Der junge Bursche, der ohne Nicole den Markt sicher nicht lebend verlassen hätte, baute sich vor dem Tisch auf. »Sie hat mir das Leben gerettet. Sie ist unsere Freundin. Ist das klar?« Er schien hier so etwas wie eine Anführerstellung inne zu haben, denn nach und nach nickten alle zustimmend. Als er begann seinen gebannten Zuhörern die ganze Geschichte zu erzählen, hob Nicole die Hand.
»Stopp, dazu ist sicher später noch Zeit genug. Willst du mir nicht erst einmal sagen, wer ihr eigentlich seid? Und wo ich hier gelandet bin, würde mich auch interessieren.«
Die Kinder lachten. Nur Nicoles Schützling blieb vollkommen ernst. »Natürlich. Ich bin Pioll. Und das hier«, er machte eine Bewegung in die Runde, »sind meine Geschwister. Wir sind die Kinder des Rohan, Kerkermeister der Feste unseres Herrn Wlady Ormoff, dem Herrscher über die dunkele Ebene von Ash’Tarr.«
Ormoff? Der Name war Nicole bekannt, doch sie wusste nicht, wohin sie ihn genau zu
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