0804 - Die Frau mit den Totenaugen
mehrmals zu hören bekommen und letztendlich nichts mehr dazu gesagt. Es war mir egal gewesen, ich hatte mich einmal entschlossen, sie zu begleiten, und nun musste ich in den sauren Apfel beißen und die Stücke auch schlucken.
Dabei hatte ich Probleme genug am Hals, denn der letzte Fall wollte mir nicht aus dem Kopf. Vieles drehte sich bei mir um die Bundeslade, um König Salomon, um die Königin von Saba und um deren gemeinsamen Sohn Melenik. Wir hatten damit einen Fall angerissen, über dessen Tragweite wir uns nicht im Klaren waren.
Dass da noch etwas Wahnsinniges auf uns zukam, stand fest, und es hing auch im Prinzip mit den Kreaturen der Finsternis zusammen.
Wie dem auch sei, ich musste die Gedanken an diesen Fall zurückstellen und mich um den neuen kümmern. Falls es ihn überhaupt gab, denn bisher hatte ich einen kleinen Ort am Meer erlebt, in dem es beschaulich zuging, wo nichts auf irgendwelche Aktivitäten irgendwelcher schwarzmagischer Geschöpfe hindeutete und die Bewohner sich auf den großen sommerlichen Strom der Touristen vorbereiteten.
Mit Glenda zusammen hatte ich einen Plan erstellt. Wir wollten zunächst nicht gemeinsam auftreten, sondern getrennt marschieren.
Glenda gab sich dabei als Freundin der Fiona Finley aus und wollte plötzlich bei den Vermietern erscheinen. Sie würde ihnen erklären, dass sie mit Fiona an diesem Tag verabredet gewesen war, und wir wollten uns dann im Zentrum des Ortes, wo einige Geschäfte dicht gedrängt beieinander lagen, in einem Café treffen.
Dort wollten wir dann Erfahrungen austauschen, vorausgesetzt, es gab bis dahin welche, wovon ich allerdings noch nicht überzeugt war. Ich hielt all diese Dinge noch für Hirngespinste, und auch mein Gefühl meldete keine Gefahr.
Ich gab mir Schwung und stand auf. Das Gelände fiel etwas ab.
Ich ging zwei Schritte, wobei meine Schuhe im Sand versanken.
Dürres Gras wuchs büschelweise in meiner Nähe. Der Wind fuhr darüber hinweg und kämmte es zu einer Seite.
Links von mir arbeiteten die drei Männer an den Strandkörben.
Hin und wieder schauten sie hoch und warfen mir Blicke zu. Ob skeptisch oder freundlich, das hatte ich nicht erkennen können, jedenfalls stand ich unter einer gewissen Kontrolle, ohne dies allerdings als negativ einzustufen.
Ich drehte mich um.
Jetzt lag das Haus vor mir.
Von einem prächtigen Gebäude konnte man nicht sprechen, denn Wind und Wetter hatten an ihm seine Spuren hinterlassen. Sie waren über die Fassade hinweggefegt, hatten an ihr genagt und sie stumpf werden lassen. Von der ehemals weißen Farbe war nicht mehr viel zu sehen, die Bretter sahen aus wie alte Arme, von denen die Haut einfach abgezogen worden war. Ich sah die großen Fenster. Hinter einem von ihnen hatte Fiona Finley die Erscheinung gesehen.
In den Fensterscheiben spiegelten sich die mächtigen Wolken wider, die der Wind über den Himmel trieb. Sie wirkten wie eine Ansammlung fremder Gebilde, die jeden Augenblick ihren Platz am Himmel verlassen und sich auf die Erde stürzen konnten. Das Haus war leer, es gab weder innen noch außen irgendeine Bewegung, die mir aufgefallen wäre.
Seltsam, dass sich dort etwas abgespielt haben sollte. Richtig begreifen konnte ich es nicht, aber ich wollte es auch nicht ohne weiteres zur Seite drücken. Bestimmt war etwas geschehen, was Fiona geängstigt hatte. Möglicherweise hatte ihr das abendliche Spiel aus letztem Licht und den herannahenden Schatten auch nur einen Streich gespielt, wer konnte das schon wissen?
Nicht weit von mir entfernt führte eine Treppe den Dünenhang hinauf. Sie bestand aus Holz und war sehr breit.
Ich ging durch bis zum Ende, blieb dort stehen und schaute mich um.
Das Meer erinnerte mich an einen wogenden, rätselhaften Teppich, der in seinem Innern voller Geheimnisse steckte. Es schimmerte in einem aschigen Grau, und auf manchen Wellen tanzten die Schaumkronen wie schmale Hüte. In der Ferne zeichnete sich der Umriss zweier Schiffe ab, die Kurs Nordost hielten. Vögel tanzten über dem Wasser, flogen geschickt, nutzten jeden Aufwind aus und hielten nach Beute Ausschau.
Von oben konnte ich auch die drei Männer an den Strandkörben beobachten. Bisher hatten sie gearbeitet, nun aber hatten sie ihre Arbeit eingestellt, sich gedreht und schauten zu mir hin, der ich wie ein einsamer Wächter auf dem Dünenkamm stand.
Ich konnte die drei Männer nicht genau erkennen, aber ich hatte das Gefühl, dass sie nicht eben freundlich aus der Wäsche
Weitere Kostenlose Bücher