0805 - Krallenhand
Marionette, und der schief sitzende Kopf sah aus, als würde er jeden Moment über die Schulter hinweg in den Sand rollen.
Ich ging auf das Wesen zu und packte es.
Diesmal spürte ich keinen Widerstand. Ich konnte es sogar anheben und mich mit ihm drehen. Dabei schleiften seine Füße durch das Wasser. Es war nur mehr ein Stück Vergangenheit, nicht mehr, in dem noch ein Funken Leben steckte.
Der Mund bewegte sich.
Zähne schlugen zusammen, zerknirschten dann, und ich wollte ein Ende machen.
Deshalb zerrte ich meine Beute auf den Strand. Nass bis auf die Haut war ich geworden, nur spürte ich in dieser Situation die Kälte nicht. Es ging hier um alles oder nichts.
Den Silberdolch hatte ich in die linke Hand genommen.
Verschwommen sah ich die Zeichen darauf. Mich interessierte die Brust des Wesens, und zwar die Stelle, wo bei einem Menschen normalerweise das Herz schlägt. Nicht bei Susy.
Ich holte etwas aus.
Da hörte ich den Schrei.
»John nicht, um Himmels willen nein!«
Es war Glendas Stimme, die mich eingeholt hatte. Ich schaute über den Strandhinweg. Sie stand beinahe noch dort, wo ich sie verlassen hatte, aber sie war nicht mehr allein.
Das Totengesicht war erschienen und hatte seine verfluchte Krallenhand in Glendas Nacken gedrückt…
***
Verloren? Ein halber Sieg nur?
Ich wusste es nicht, und für einen Moment war mir auch grau vor den Augen geworden. Ich fühlte mich wie jemand, der vom Himmel herab in die Hölle gestürzt war und nun zusehen musste, wie er sich aus dieser verdammten Lage wieder befreite.
Ich hatte keinen Befehl bekommen, aber Glendas Stimme hatte voll und ganz ausgereicht. Gegen die Kraft der Vanessa kam sie nicht an. Das rot schimmernde Totengesicht mit den kalten Augen hielt sie seitlich von sich gestreckt, und es machte keinesfalls den Eindruck, als wollte es Glenda je wieder freilassen.
»Okay!«, rief ich. »Schon gut…«
Da dieses rote Wesen auch Licht abstrahlte, wurde Glenda von dem rötlichen Schein erfasst. Ich sah sogar wie sie ihren Mund bewegte und mir zurief, zu ihnen zu kommen. »Aber mit dem Kind, John! Bring es bitte mit. Wenn du es tötest, sterbe auch ich. Sie will ihr Kind. Sie will nur ihr verdammtes Kind…«
Wenn du es tötest, sterbe ich!
Diesen Satz hatte ich mir eingeprägt, und beinahe hätte ich sogar gelacht, denn dieses Wesen bei mir war nicht mehr lebendig. Es konnte schon vernichtet sein.
Sollte ich das sagen?
Nein, ich wollte das Totengesicht noch ein wenig im Unklaren lassen und bemühte mich, meiner Stimme einen neutralen Klang zu geben, als ich zurückrief. »Keine Sorge, ich komme.«
Ob Glenda erleichtert war oder nicht, war von meiner Position aus nicht zu erkennen. Es fiel mir verdammt schwer, den Gang anzutreten. Bisher sah noch alles relativ normal aus, denn auch ich hielt das Kind in meinem Griff und schleppte es weiter. Wie aber würde Vanessa reagieren, wenn sie erkannte, was tatsächlich mit ihrem höllischen Liebling geschehen war?
Egal wie – Glendas Leben stand an erster Stelle. Alles andere konnte ich später nachholen, hoffte ich zumindest.
Das Wasser hatte ich verlassen und bewegte mich mit meinen nassen Schuhen durch den Sand, in dem ich tiefe Spuren hinterließ.
Ich sprach kein Wort, meine Blicke waren einzig und allein auf Glenda Perkins gerichtet und natürlich auf das Totengesicht. Zwei Männer hatte sich Vanessa wieder als Opfer geholt. Wenn die magische Rechnung aufging, daran hegte ich kaum Zweifel, musste sie noch stärker geworden sein.
Ich schaute sie mir deshalb an.
Ihr Gesicht war schon immer fest und konturenstark gewesen.
Der Körper nicht so. Er war mehr auseinander geflossen wie ein großes, ausgebreitetes Tuch. Nun hatte sie sich wieder Seelen holen können, was auch an ihrer Gestalt zu sehen war, denn sie zeigte viel mehr Dichte. Vanessa war dabei, zu einem Menschen zu werden, und dies wollte mir gar nicht gefallen.
Das Gesicht hatte sie in meine Richtung gedreht. Ich dachte darüber nach, wie ich es bezeichnen sollte. Es war keine Fratze, es war einfach nur rot und glatt, doch es kam noch etwas hinzu, das als sehr prägnant angesehen werden musste.
Zwei kalte Augen.
Böse Lichter, grausame Laternen, vielleicht die Energie aus dem Grenzland. Die Augen bewegten sich nicht. Sie schauten einzig und allein nach vorn, sie waren auf mich gerichtet, als wollten sie mich durchbohren wie Dolche.
Ich musste mich zwingen, meinen Blick von ihnen abzuwenden, denn gleichzeitig strahlten sie einen
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