0806 - Die Hexe von Köln
Fähigkeiten dieses Amuletts nach Zamorras Tod zu ergründen. Wenn sich die Macht der Silberscheibe beherrschen ließ, konnte sich Samira deren verborgene Kräfte womöglich aneignen. Vielleicht würden sie ihr helfen, noch mächtiger zu werden.
Stärker als Stygia womöglich, dachte sie frevlerisch. Dieser Gedanke hatte etwas Elektrisierendes an sich.
Doch bevor sie die Untersuchung der Silberscheibe ins Auge fasste, stand ihr der Sinn nach Spielen. Mit ihrem neuen Spielzeug, das sich selbst Zamorra nannte.
Samira verdrängte die Vorfreude. Etwas stimmte nicht. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, schaute sie sich vorsichtig um. Sie spürte, dass sie schon wieder verfolgt wurde.
In der Nähe des Bahnhofs waren noch eine Menge Leute unterwegs, aber ein Paar stach ihr besonders ins Auge. Sie glaubte sich zu erinnern, dass sie den Mann und die Frau bereits nach ihrer Zusammenkunft mit Stygia gesehen hatte. Sie waren auf der Brücke gewesen und hatten den Eindruck eines harmlosen Liebespaars erweckt.
In der Dunkelheit des Abends konnte sie die Gesichter der beiden nicht erkennen. Eine Ahnung befiel sie, nein, Wissen, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Die Frau war alles andere als harmlos.
Sie gehörte zu Zamorra, da war Samira sicher, und stellte ebenfalls eine nicht unerhebliche Gefahr dar. Die Hexe hätte sich leicht absetzen können, doch daran lag ihr nichts. Im Gegenteil verlangsamte sie unmerklich ihre Schritte.
Das Spiel entwickelte sich spannender, als Samira gehofft hatte. Aufgeregt lief sie zum Dom zurück, darauf bedacht, dass ihre Verfolger sie nicht aus den Augen verloren.
***
Die Stille unter dem Dom war absolut. Kein Laut drang von der Oberfläche zu dem gefangenen Zamorra. Trotz aller Anstrengungen war es ihm nicht gelungen, sich zu befreien, als Samira wieder in das versteckte Verlies zurückkehrte.
»Stygia verlangt, dass ich dich töte«, eröffnete sie ihm ohne Umschweife.
Nichts anderes hatte Zamorra erwartet. Ihn wunderte nur, dass die Fürstin der Finsternis das nicht selbst in die Hand nahm, jetzt, wo er ihr praktisch auf dem Silbertablett serviert wurde.
»Machst du immer, was sie von dir verlangt?«, versuchte er die Hexe zu provozieren. »Sie hat dich wohl in der Hand?«
»Ich mache, was ich will. Auch ohne Stygia würde ich dich töten.« Wieder spielte Samira mit dem Dolch, den der Dämonenjäger bereits kannte.
»Warum willst du das tun? Wir kennen uns doch gar nicht.«
»Willst du etwa behaupten, dass du mich in Ruhe lässt?«
Zamorra dachte überhaupt nicht daran, und er hatte auch nicht vor, durch eine Lüge seinen Kopf zu retten. Stattdessen musste er auf Zeit spielen und Samira hinhalten. Zweifellos war Nicole auf der Suche nach ihm. Mit ihrer Findigkeit würde sie ihn früher oder später finden.
»Vielleicht können wir uns irgendwie arrangieren«, schlug er vor.
»Ich weiß, dass du niemals aufhören würdest, mich zu jagen. Leugne es nicht, ich kann es in deinen Augen lesen.«
»Da hast du allerdings verdammt Recht«, fuhr es dem Professor gegen seinen Willen heraus.
Das war ein Fehler gewesen, wurde ihm klar. Er brauchte die Hexe nicht unnötig zu provozieren. Was, wenn Nicole ihn nun doch nicht fand? Schließlich hatte sie nicht den geringsten Hinweis auf seinen Verbleib. Zudem hatte sie diesen Wagenbach als Klotz am Bein. In dem Fall war er auf sich allein gestellt.
Mit jeder Sekunde wurde es Zamorra ungemütlicher in seiner Haut. Wenn ihm nicht bald ein rettender Einfall kam, war es um ihn geschehen, und das ausgerechnet bei einem Fall, in den er mehr oder weniger durch Zufall gestolpert war, und gegen eine Gegnerin, die er normalerweise nicht einmal wirklich ernst nehmen würde.
»Deine liebreizende Freundin hat mich verfolgt. Sie denkt, ich hätte das nicht bemerkt.«
»Wo ist Nicole?« Zamorra fürchtete, die Hexe könnte seiner Gefährtin etwas angetan haben.
»Wahrscheinlich irgendwo dort draußen. Ich habe dafür gesorgt, dass sie mir bis zum Dom folgen konnte«, antwortete Samira vergnügt.
»Wozu? Willst du sie auch in diese Falle locken?«
»Im Moment noch nicht. Was soll ich mich auch noch um sie kümmern? Das werde ich tun, sobald ich Langeweile bekomme. Sie kommt sowieso nicht vor morgen früh in den Dom - außer, ich gestatte es ihr. Soll sie sich doch ein wenig ihr hübsches Näschen bei der Suche nach dir abfrieren.«
Erleichtert vernahm Zamorra die Worte. Zumindest war Nicole also in Freiheit. Damit stiegen seine Chancen
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