0807 - Das Gespenst von Angus Castle
Ich betrat das Schloß, ich sah die weiße Frau, dann war es vorbei. Ich spürte die Kälte wie eine Klammer. Sie verdichtete sich immer mehr, und zu irgendeinem Zeitpunkt habe ich dann aufgehört zu existieren.«
Mir wäre es beinahe ähnlich ergangen. Ich wollte noch von ihm wissen, ob er den Mann gesehen hatte.
»Einen Mann?«
»Ja.« Ich beschrieb ihn.
Mein Vater hörte mir sehr genau zu, doch bestätigen konnte er meine Beschreibung nicht.
»Es ist gut«, sagte ich und drehte endlich den Zündschlüssel herum. »Laß uns fahren. Vielleicht kann uns deine Mrs. McDuff noch einige Aufklärung geben.«
»Das hoffe ich, John…«
***
Wir verließen den Schlosshof auf dem normalen Weg, den ich kannte, schlugen dann einen Bogen und gelangten an den Rand einer Senke. Natürlich dachte ich darüber nach, was mir mein Vater gesagt hatte. Es war keine Offenbarung gewesen, weil einfach zu viel auf dem Spiel stand. Fragen blieben offen, die sich besonders um das Verschwinden meiner Mutter drehten.
Hatte mein alter Herr übertrieben?
Würde das Verschwinden meiner Mutter eine normale Aufklärung finden? Welche Rolle spielte diese Mrs. McDuff und welche auch der geheimnisvolle Lord und die noch rätselhaftere Frau, die als Gespenst aufgetreten war?
Ich warf meinem Vater, der starr neben mir saß, einen etwas längeren Blick zu. Er rührte sich nicht. Schweigend starrte er über den Rand der Senke hinweg und betrachtete das Haus, als würde er es, wie ich, zum erstenmal sehen.
Auf meiner Herfahrt hatte ich es nicht gesehen, denn ich war aus einer anderen Richtung gekommen. Es gab auch keinen Weg oder Pfad, der zum Haus geführt hätte. Wer es erreichen wollte, mußte quer durch das Gelände fahren, was wir auch getan hatten. Die Böschung war nicht sehr steil, auch mit einem normalen Fahrzeug konnte sie überwunden werden.
Ich wußte nicht, was mein Vater dachte, seine Mundwinkel bewegten sich, das Fleisch an den Wangen ebenfalls. Es sah so aus, als wollte er etwas sagen und sich letztendlich doch nicht trauen. Er mußte Schlimmes durchmachen, und ich wußte auch nicht, mit welchen Worten ich ihn trösten sollte. Ich wußte überhaupt viel zu wenig. Nur, daß es um die Sinclairs, also um uns ging.
Das Haus sah aus unserem Sichtwinkel sehr flach aus. Das war es auch.
Zu beiden Seiten des Hauses waren Koppeln eingerichtet worden.
In ihnen tummelten sich Schafe und Ziegen. Zwei Pferde sah ich ebenfalls, aber keinen Hund. Stallungen waren ebenfalls vorhanden.
Sie sahen mir sehr leer aus.
»Hat sie dich angerufen, damit du herkommen konntest?« wollte ich von meinem Vater wissen.
Er erschrak. »Was meinst du?«
»Ich sprach von dem Anrufer, der dich herlockte. Wer ist es gewesen? Hast du ihn gekannt?«
»Nein.«
»Wie klang denn seine Stimme?«
»Neutral.«
»War es ein Mann? War es eine Frau?«
»Nur eine Stimme«, murmelte mein Vater. Er faßte sich an den Kopf und schüttelte ihn, als könnte er die Erinnerung an gewisse Dinge nicht mehr ertragen. »Ich kann dir nicht einmal sagen, ob sie einem Mann oder einer Frau gehört hat. Aber sie war dermaßen intensiv gewesen, daß ich einfach gehorchen mußte. Es ging um die Sinclairs, um unsere Familie. Was genau dahintersteckt, das kann ich dir nicht sagen, John. Meiner Ansicht nach ist es etwas Schreckliches und Böses. Ein grausames Geheimnis. Von dem wir nichts wissen.«
»Du also auch nicht?« hakte ich noch einmal nach.
»Nein, ich auch nicht!« Er runzelte die Stirn. »Wie kommst du überhaupt darauf?«
»Ach, nur so, vergiß es. Sehen wir uns zunächst einmal diese Mc Duff an.«
»Ja, fahr los.«
Ich ließ den Wagen vorsichtig anrollen, denn ich wollte auf keinen Fall umkippen oder den Auspuff verlieren. Die Reifen drückten sich tief in den weichen Boden ein. Es wurde für mich schwer, das Fahrzeug zu lenken.
Im schrägen Winkel rollten wir den Hang hinab und damit auch auf das Ziel zu. Es wunderte mich, daß sich Mrs. McDuff nicht blicken ließ. Wenn sie im Haus war, mußte sie uns doch gesehen haben. Daß sie uns dennoch ignorierte, wunderte mich.
Nur die Tiere waren über uns Neuankömmlinge etwas verwundert. Ziegen und Schafe liefen vor bis an das Gitter und glotzten uns an. Die Pferde kümmerten sich nicht um den Wagen. Auch Mrs. Mc Duff war motorisiert.
Vor dem Haus stand ein Geländewagen. Die Marke konnte ich nicht erkennen. Jedenfalls war der Wagen mit Holz beladen. Sehr bald konnten wir normal fahren, und ich blieb mit dem Rover in der
Weitere Kostenlose Bücher