0807 - Das Gespenst von Angus Castle
Hand schimmerte. Plötzlich sank seine zum Schlag erhobene Hand wieder nach unten. Er riß den Mund auf, taumelte zurück, das Schwert kratzte mit seiner Spitze über den Boden, und plötzlich glühte die Gestalt des Lords auf.
Als letztes nahm ich den Ausdruck seiner Augen von ihm mit. Sie waren so erstaunt, so ungläubig, dann begann die Luft zu flimmern, und einen Moment später war er verschwunden.
Ich stand nicht mehr länger still und lief dorthin, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte.
Dort fühlte sich die Luft kalt an, als läge noch ein unsichtbarer Nebel darin.
Lord Lyell war und blieb verschwunden!
Ich atmete tief durch. Plötzlich spürte ich die Röte in meinem Gesicht. Ich schwitzte, ohne daß es wärmer geworden war. Es konnte an dem Wissen liegen, daß ich mich tatsächlich in einer unheimlichen Gegend verirrt hatte, und mein nächster Blick galt dem alten Schloß.
Dort war nichts geschehen. Nach wie vor lag es wie ein grauer Schatten in der normalen Landschaft, so daß ich mich fragte, ob es tatsächlich hierher gehörte oder nur auf einen schnellen Besuch vorbeigekommen war.
Ich vergaß den Lord zwar nicht, doch ich verdrängte die Gedanken an ihn und beschäftigte mich wieder mit dem Anruf meines Vaters. Ich fragte mich, was er damit bezweckt, hatte. Hatte er mir nur Bescheid gegeben, um mich wegen dieser so fremden Gestalt herzulocken? Wollte er sie mir zeigen und selbst im Hintergrund bleiben? Wenn ja, dann konnte es durchaus eine Verbindung zwischen meinem Vater und diesem Lord Lyell geben.
So sehr ich mich gedanklich auch anstrengte, es war mir zu diesem Zeitpunkt unmöglich, die Verbindung zu finden. Da hätte mein Vater schon selbst erscheinen müssen.
Bestimmt war er hier.
Aber wo?
Ich schaute gegen das graue Gemäuer des alten Schlosses. Dort rührte sich nichts, aber ich war davon überzeugt, daß sein Inneres einige Geheimnisse verbarg.
Auch in diesem Fall war Angriff die beste Verteidigung. Ich wollte mir das kleine Schloß von innen ansehen und entschloss mich, mit meinem Wagen in den Hof zu fahren…
***
Das Tor gähnte mir entgegen wie ein weit geöffnetes Maul. Es gab eine ziemlich breite Auffahrt. Rechts und links standen die beiden Tormauern. Der Zahn der Zeit hatte an ihnen genagt. Aus der Nähe wirkte das kleine Schloss noch furchteinflößender, als wäre dort etwas Schreckliches passiert, von dem niemand mehr etwas wissen wollte.
Im Innenhof stoppte ich den Rover und stieg mit langsamen Bewegungen aus. Die Tür schwang wieder zu, das einzige Geräusch in der bedrückenden Stille, die so gar nicht zu diesem hellen Tageslicht passen wollte.
Mir war sehr beklommen zumute, als ich mich umschaute. Ein leises Klappern oder Ratschen sorgte bei mir für eine Gänsehaut. Das Geräusch hatte jedoch einen natürlichen Ursprung. Verfallene Fensterläden wurden vom Wind immer wieder zugeworfen.
Ich suchte nach einem Eingang, schlich über den Innenhof und ließ meine Blicke an der grauen Fassade hoch gleiten.
Aus vier verschiedenen Richtungen grüßten mich die im oberen Bereich kegelförmigen Türme.
Es gab verschiedene Möglichkeiten für mich, das Schloß zu betreten. Ich konnte über eine Treppe einem breiten Eingang entgegenschreiten, ich hätte auch durch ein Fenster klettern können. Da ich ein bequemer Mensch war, nahm ich die Treppe und bewegte mich sehr vorsichtig, da alles sehr baufällig wirkte und jeden Augenblick einzustürzen schien.
Mein Weg endete vor einer Tür.
Sie war nicht mehr als ein schmutziges Gebilde, verdreckt und mit Vogelkot bedeckt. Vögel allerdings sah ich kaum in der klaren Luft, sie schienen einen großen Bogen um dieses alte Schloß zu fliegen.
Ich drückte die Türklinke herunter. Jemand hatte sie als mächtiges Gebilde geformt. Sie war ziemlich krumm, natürlich auch verrostet, und ich hatte Mühe, die im Laufe der Jahrhunderte weich gewordene Holztür zu öffnen. Die dabei entstehenden Geräusche hörten sich an, als würden Tiere in meiner unmittelbaren Umgebung leiden.
Kleine Staubwolken wurden in die Höhe gewirbelt, und ein Schmierfilm aus Dreck und Spinnweben bildete so etwas wie einen Teppich.
Ich mußte die Tür noch weiter aufdrücken, um eintreten zu können, und dabei kam ich mir irgendwo wie ein kleines Kind vor, das staunend in eine fremde Welt hineinkommt und es zunächst einmal nicht schafft, sie einzuordnen.
Auch ich staunte, denn diese Welt wollte mir gar nicht gefallen.
Ich suchte nach einer Schublade, in die ich
Weitere Kostenlose Bücher