0810 - Stirb in einer anderen Welt
Verzweiflung, voller Entsagung, doch es lohnt sich, ihn zu gehen. Denn der Herr…«
»Hören Sie auf damit«, unterbrach ihn Nicole. »Ich bin auf meinem Weg schon viel zu weit gegangen, als dass ich noch umkehren könnte. Ich muss ihn weitergehen bis zum bitteren Ende.«
»Wenn du das so willst, warum kommst du dann zu mir und erfragst meine Hilfe? Ich kann dir nur helfen, den anderen Weg einzuschlagen. Hast du es schon einmal mit Beten versucht?«
»Nein, und ich werde es auch nicht versuchen«, erwiderte sie halsstarrig. »Ich habe Sie gewarnt vor dem, was Zamorra vorhat, und ich habe Sie um Hilfe gebeten. Sie haben meine Warnung - hoffentlich - verstanden, und Sie verweigern mir Ihre Hilfe. Gut, das war's dann. Leben Sie wohl.«
Sie wandte sich ab.
»Warte«, sagte er. »Du willst es nicht begreifen, was ich dir sagen will, meine Tochter. Ich kann dir nur helfen, wenn du…«
»Halt die Klappe!«, zischte sie. »Ich kann es nicht mehr hören. Ich bin nicht hierher gekommen, um mir eine Predigt anzuhören. Wenn du mir deine Hilfe verweigerst, muss ich mir eben selbst helfen.«
»Es ist falsch, was du tust«, sagte er.
»Es war falsch, dass ich hierher gekommen bin«, erwiderte sie. »Ich hätte Ihnen nichts zu erzählen brauchen, Pater. Zamorra wird so bald niemand anderen schicken, um Sie zu holen. Er rechnet damit, dass ich es tue. Sie können sich also in Sicherheit wiegen - solange ich lebe. Ich kann versuchen, Sie zu schützen, das ist alles.«
Sie verließ das Zimmer endgültig, trat aus der Haustür ins Freie. Draußen waren dunkle Wolken aufgezogen. Die Luft knisterte; ein Gewitter stand bevor.
Duval straffte sich.
Sie musste es jetzt auf die andere Weise versuchen.
***
Ihr war klar, dass sie es allein nicht schaffen würde. Sie benötigte Hilfe, und da Pater Ralph sie ihr nicht gewähren wollte, musste sie sie sich anderswo beschaffen.
Lucifuge Rofocale…
Sollte sie ihn tatsächlich beschwören?
Sie war relativ sicher, dass er sie unterstützen würde. Andererseits begab sie sich damit noch mehr in seine Hand. Sie war nicht sicher, ob sie das riskieren durfte.
Etwas von Pater Ralphs Worten war doch hängen geblieben.
Sie benötigte Zeit zum Nachdenken. Aber sie wusste auch, dass ihr diese Zeit nicht blieb. Zamorra würde nicht lange warten. Wenn sie nicht bald kam, um Ralph mit ins Château zu bringen, würde Zamorra sie jagen und zu seinem nächsten Opfer machen. Eine Veränderung ging mit ihm vor, aber sie konnte nicht sagen, worin diese Veränderung bestand. Dass er Lebensenergie trank, war dämonisch und ungewohnt. Schritt seine Verwandlung zum Dämon ihrem Endstadium entgegen?
Sie hoffte, dass es noch nicht ganz so weit war.
Sie musste jetzt etwas anderes versuchen. Sie fuhr nicht wieder zum Château hinauf, sondern weiter über Feurs nach Roanne. Dort hatte sie ohne Wissen Zamorras - hoffentlich! - einen Atelierraum über den Dächern des Ortes gemietet. Das konnte sie unbemerkt finanzieren. Für einen Kauf, der ihr lieber gewesen wäre, hätte sie zu viel Geld auf einen Schlag bereithalten müssen. Und das hätte er mit Sicherheit gemerkt und Fragen gestellt.
Unangenehme Fragen.
Duval hatte einige magische Bücher aus Zamorras Bibliothek mitgenommen und dort gelagert. Es war ihr ganz persönliches »Zauberzimmer«, in dem sie sich mit Magie befasste, so oft sie Zeit dafür fand.
Jetzt musste sie es von dort aus mit Magie versuchen, auf Gedeih oder Verderb. Denn im Château selbst hatte sie dafür keine Chance.
***
In der richtigen Welt
... hatte Zamorra das Amulett vor sich hingelegt. »Schau dir die Zeichen genau an. Fällt dir etwas auf?«
»Nein. Worauf willst du hinaus, Chef?«
»Das Zeichen, das hier im Buchsiegel wieder auftauchte, kenne ich. Ich weiß, welche Funktion es auslöst.«
Nicoles Augen wurden schmal, und sie legte den Kopf etwas schrägt. »So plötzlich?«
»Ich habe mich gerade erinnert«, sagte er. »Ich habe schon einmal gesehen, wie es benutzt wurde. Damals, als Leonardo deMontagne es in seinem Besitz hatte. Er war ja so dreist, es danach noch einige Male aus der Ferne auszuschalten , meist genau dann, wenn wir es dringend brauchten. Du erinnerst dich?«
Nicole nickte.
Es war eine böse Zeit gewesen damals. Zamorras unseliger Ahnherr Leonardo, der im Höllenfeuer brannte, hatte von Asmodis persönlich ein zweites Leben erhalten, damit er aus der Hölle verschwand und dort wieder Ruhe einkehrte. Leonardo hatte mit Hilfe seiner Knochenhorde
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