0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
unterstützen. Und das tue ich gerade. Vielleicht könnten Sie auch ein bisschen was datu beitragen.«
»Schön«, sagte Thanh. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen und seine Stimme bebte vor Zorn. »Wie Sie wollen. Aber das wird ein Nachspiel haben. Verlassen Sie sich drauf. Das hier vergesse ich nicht.«
»Wir auch nicht«, sagte Nicole und schlug Thanh kumpelhaft auf die Schulter. »Und wir werden bestimmt nicht versäumen, Ihren Vorgesetzten mitzuteilen, wie vorbildlich Sie uns bei unserer Arbeit unterstützt haben.«
Der Major wollte etwas erwidern, schluckte die Bemerkung aber herunter. Er wusste, dass er vorerst verloren hatte. Wortlos stapfte er von dannen. Sekunden später hörten sie, wie der Kofferraum ihres Autos geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann kam Thanh zurück. In seiner rechten Hand hielt er ein Sturmgewehr, ein AK-47, besser bekannt als Kalaschnikow.
»Wollen Sie in den Krieg ziehen?«
»Spotten Sie ruhig, Mademoiselle Duval, aber wenn es hart auf hart kommt, will ich vorbereitet sein.«
»Das will ich auch. Aber der Ballermann wird Ihnen dabei nichts nützen!«
Aber der Geheimdienstmann hörte ihr gar nicht mehr zu. Er hatte sich umgedreht und stapfte schräg pfeifend auf die Hauptbaracke zu.
***
Hongkong
Rupert Jenkins war ein friedliebender Mensch. Leben und leben lassen war seine Devise. Die Wege, die er gefunden hatte, um diesem Prinzip treu zu bleiben, waren vielleicht nicht immer ganz legal, aber sie sicherten ihm ein regelmäßiges Einkommen.
Der fast zwei Meter große, schlacksige Brite gehörte zu den Gestrandeten, die nach der Rückgabe der ehemaligen Kronkolonie an China in Hongkong hängen geblieben waren, weil sie in der alten Heimat längst ihre Wurzeln verloren hatten. Es war gar nicht so, dass Rupert Jenkins Hongkong besonders mochte, aber ein Leben woanders konnte er sich einfach nicht mehr vorstellen.
Früher hatte er beim MI6 gearbeitet, ein kleines Rädchen im riesigen Getriebe des britischen Auslandsgeheimdienstes. Doch nach dem Rückzug der Engländer hatte er sich etwas anderes ausdenken müssen, um sich über Wasser zu halten.
Jetzt arbeitete Rupert Jenkins für die Neun Drachen. Nicht, dass er ein Verbrecher gewesen wäre. Diese Einschätzung seiner bescheidenen Dienste lehnte Jenkins strikt ab. Er verabscheute Gewalt und tat niemandem etwas zu Leide. Stattdessen leistete er Botendienste, hielt hier die Augen auf und hörte da besonders gut hin.
Die meisten hart gesottenen Gangster, die den stets etwas unpassend gekleideten Briten kannten, nahmen ihn nicht ganz ernst. Und genau das war Jenkins’ größter Vorteil. Denn vor einem Clown fürchtete man sich nicht, und so erfuhr er manches, was anderen verborgen blieb.
Dass er für die mächtigste Gangsterorganisation Hongkongs arbeitete, störte Jenkins nicht besonders. Denn die Neun Drachen waren auch ein nicht zu unterschätzender Ordnungsfaktor in der ehemaligen Kronkolonie. Die Bruderschaft sorgte dafür, dass jeder seinen Anteil bekam, die Polizei still hielt und möglichst wenig Unbeteiligte zu Schaden kamen. Ohne ihr strenges Regiment hätten sich die Triaden in Hongkong in endlosen Bandenkriegen längst selbst zerfleischt.
Mit Entsetzen dachte Jenkins an das Chaos, das der namenlose Dämon vor drei Jahren bei seinem Feldzug gegen die Neun Drachen verbreitet hatte. Ohne das Eingreifen dieses französischen Parapsychologen und seiner Gefährtin wäre Hongkong immer noch ein Ort des Schreckens.
Der ehemalige MI6-Agent hielt sich zugute, selbst einen kleinen Beitrag zur Rettung Hongkongs beigetragen zu haben, doch inzwischen war längst wieder der Alltag eingekehrt. Was nicht das Schlechteste war, denn Rupert Jenkins eignete sich nicht zum Helden.
Er war mit den kleinen Erfolgen des Lebens zufrieden. So wie jetzt, als er seinen ausgebeulten Plymouth durch die von unzähligen Neonreklamen beleuchteten Straßen von Kowloon lenkte, dem auf der Festlandseite liegenden Teil Hongkongs. Gerade hatte er im Namen der Neun Drachen eine kleine Transaktion überwacht und dafür einen kleinen Umschlag erhalten, dessen Inhalt ihm in den nächsten Monaten ein einigermaßen bequemes Leben sicherte.
Das Leben hätte schlimmer sein können.
Jenkins besaß eine kleine Wohnung im Stadtteil Yau Ma Tei. Von außen sah das anonyme Hochhaus reichlich heruntergekommen aus, aber das störte Jenkins nicht. So lenkte er zumindest keine unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich. Er fuhr den Wagen in die Tiefgarage und
Weitere Kostenlose Bücher