0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
schienen als Unterkünfte für die Arbeiter gedient zu haben. Ein etwas größeres Gebäude war offenbar der Bauleitung vorbehalten gewesen. Jetzt stürzte ein älterer Mann im blauen Overall daraus hervor und rannte aufgeregt auf sie zu.
»Meister Ho«, erklärte Phuong. »Seit der Verhaftung des Architekten hat er die Bauleitung. Allerdings gibt es im Moment nicht allzu viel, was er hier leiten könnte. Tatsächlich ist er im Moment der Einzige hier…«
Sie stiegen aus, und Phuong stellte die Franzosen und den vietnamesischen Bauleiter einander vor. Dann ergoss Meister Ho einen wahren Wortschwall über die junge Tourismusexpertin. »Er sagt, er führt Sie gerne herum, aber er möchte vor Einbruch der Dunkelheit wieder weg sein«, übersetzte Phuong. »Er sagt, hier gehen nachts unheimliche Dinge vor. Er habe seltsame Geräusche gehört…«
»Was für Geräusche?«, fragte Zamorra.
Meister Ho sah ihn mit einem eigentümlichen Blick an, dann zuckte er mit den Schultern. »Ich weiß nicht«, sagte er in gebrochenem Englisch, »aber irgendetwas ist da draußen, und es hat schon viele meiner Männer geholt. Ich will nicht der Nächste sein!«
Zamorra nickte. »Dann sollten wir keine Zeit verlieren. Sehen wir uns die Sache aus der Nähe an!«
Meister Ho führte sie herum. Der kommissarische Bauleiter erklärte den Dämonenjägern detailliert, wie sich die Katastrophe ereignet hatte und wo die Arbeiter zu Tode gekommen waren. »Es ist ein Wunder, dass nicht noch mehr umgekommen sind«, sagte er kopfschüttelnd. »Die meisten haben sich noch retten können.«
Zamorra verstand nicht allzu viel von Technik, aber er zweifelte nicht daran, dass zumindest der Einsturz der Brücke selbst tatsächlich sehr irdischen Ursprungs war. »Minderwertiges Material«, sagte Meister Ho, »sehr großes Problem hier in Vietnam. Jeder versucht, so viel Geld wie möglich zu machen. Sicherheit zählt da nichts mehr.«
Ansonsten brachte der Rundgang wenig. Alle eventuell einmal vorhandenen Spuren waren längst verwischt und für eine Zeitschau war es viel zu spät. Frustriert starrte Zamorra auf einen Trümmerhaufen direkt am Ufer. Drei Arbeiter waren hier von der Brücke gestürzt. Doch ihre Leichen waren nie gefunden worden. Sie waren wie die anderen einfach spurlos verschwunden. Nicht einmal Blutflecken auf dem Beton erinnerten an die Tragödie, die sich hier abgespielt hatte.
»Und, was sagt der große Experte aus dem Westen?«, fragte Thanh mit einem provozierenden Grinsen, während er sich betont lässig eine Zigarette anzündete. »Was können Sie uns sagen, was wir nicht auch schon herausgefunden hätten?«
»Nichts«, sagte Zamorra mit gleichmütigem Lächeln.
»Nichts?« Die Miene des Geheimdienstoffiziers erhellte sich merklich. »Sie sind also ganz umsonst gekommen?«
»Keineswegs«, bemerkte Zamorra. »Es ist nur viel zu früh, um schon etwas zu sagen. Wir werden die Nacht hier verbringen.«
»Was?« Verwirrt starrte Thanh den Parapsychologen an. »Das geht nicht! Wir haben kein Hotel hier.«
»Das brauchen wir auch nicht«, erklärte Nicole mit katzenfreundlichem Lächeln. »Irgendeine Pritsche wird ja wohl aufzutreiben sein. Und falls nicht, geben wir uns auch gerne mit dem Fußboden zufrieden.«
»Was wollen Sie denn nachts hier aufspüren? Kröten beim Liebesspiel?«
»Keine Ahnung«, gestand Zamorra freimütig. »Aber was immer für das Verschwinden all dieser Menschen verantwortlich ist, wird sich kaum auf Befehl zeigen. Wir werden schon etwas Geduld brauchen. Meister Ho hat seltsame Geräusche gehört, also werden wir uns heute Nacht hier auf die Lauer legen. Und wenn wir nichts finden, beginnen wir morgen, die Einheimischen zu befragen. Vielleicht gibt es irgendeine alte Legende oder einen Aberglauben, die uns auf die richtige Spur bringen.«
»Sind das etwa Ihre viel gepriesenen wissenschaftlichen Methoden, Professor?«, ätzte Thanh, doch Zamorra ließ sich davon nicht beeindrucken.
»Im Grunde ja. Sie würden sich wundern, wie effektiv sie sind.«
»Ich finde die Idee gar nicht so schlecht. Ich werde Meister Ho bitten, uns vor seiner Abfahrt ein paar Decken und Lebensmittel zur Verfügung zu stellen«, sagte Phuong.
Wütend blitzte der Geheimdienstmann sie an. »Phan-Thi Phuong, als Offizier der Sozialistischen Republik Vietnam…«
»Blasen Sie sich nicht so auf, Thanh«, erklärte Phuong ungerührt. »Das hier ist keine Militäroperation. Wir sind nur hier, um unsere Gäste bei ihrer Arbeit zu
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