0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
Kopf dröhnte, als würde das ganze Blut seines Körpers hineingepumpt. Und warum konnte er den Boden unter sich nicht spüren?
Und dann wusste Johnny, was nicht stimmte.
Diese verdammte Hure hatte ihn aufgehängt! Er hing vermutlich kopfüber von der Decke irgendeiner Lagerhalle. Aber wenn sie glaubte, ihn damit fertig machen zu können, hatte sie sich geirrt.
So leicht ließ sich Johnny Chu nicht klein kriegen.
Doch dann spürte er noch etwas. Es war ein kalter Hauch, der über seine Haut strich und sich in seiner Kleidung verfing. Wind! Johnny wusste, was das zu bedeuten hatte, und kalter Schweiß brach ihm aus..
»Nein!«, flüsterte Johnny.
Er sah über sich Chin-Li, die ihn kalt lächelnd anstarrte. Sie stand lässig auf einer Dachbrüstung und umklammerte seine Oberschenkel. Johnnys Blicke zuckten in die andere Richtung. Der Drachendiener schrie entsetzt auf, als er den Abgrund unter sich sah.
Viele hundert Meter unter ihm sahen die wenigen Passanten aus wie winzige Insekten. Panisch schnellte sein Blick wieder hoch. Chin-Lis eiserner Griff war das Einzige, was ihn hielt. Wenn sie losließ, stürzte Johnny unweigerlich 30 Stockwerke in die Tiefe.
Der Drachendiener schrie laut auf, doch keiner der Fußgänger hob auch nur für eine Sekunde den Blick.
***
Es war nicht leicht gewesen, den schlaffen Körper die ganzen 30 Stockwerke herauf zubringen. Zum Glück gab es einen Fahrstuhl, doch anstrengend war es trotzdem gewesen.
Chin-Li wusste inzwischen, dass ihr Gegner Johnny Chu hieß. Das stand zumindest in dem Ausweis, den sie bei dem Drachendiener gefunden hatte.
Der Gefangene schrie immer noch aus Leibeskräften. Es war Zeit, das zu beenden, sonst würden sie doch noch Gesellschaft bekommen.
»Wenn du weiterschreist, lasse ich los!«
Sofort war Ruhe. Chin-Li lächelte.
»Was willst du? Wenn du mich töten willst, dann gestatte mir bitte einen ehrbaren Tod. Lass mich sterben wie ein Krieger.«
Offenbar hatte es sich noch nicht bis zu Johnny Chu rumgesprochen, dass Chin-Li dem Töten abgeschworen hatte. Umso besser! Je mehr Angst er vor ihr hatte, desto besser würde er kooperieren.
»Wenn du tust, was ich dir sage, darfst du leben.«
Johnny lachte verächtlich. »Du wirst mich sowieso töten, egal, was ich sage…«
»Wenn du meinst.« Schlagartig ließ Chin-Li los. Johnny fiel nur fünf Zentimeter, bevor Chin-Li seine Beine wieder wie Schraubstöcke umpackte, doch die Wirkung war enorm.
»Nein, nicht, bitte!«, kreischte Johnny. »Bitte nicht, ich sage dir alles, was du willst - nur nicht loslassen!«
»Okay«, sagte Chin-Li gefährlich leise. »Was wollen die Neun Drachen von mir? Sollst du mich töten?«
»Nein, nein!«, versicherte Johnny in Todesangst. »Zumindest noch nicht. Meister Shiu hat nur angeordnet, dich zu observieren. Du weißt zu viel. Er will wissen, ob du nicht unseren Gegnern in die Hände spielst.«
»Ich war immer loyal!« Es gelang Chin-Li nicht ganz, die Bitterkeit in ihrer Stimme zu überspielen. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens den Neun Drachen treu gedient, und sie hatte bei ihrem Abschied geschworen, die Bruderschaft weiterhin zu ehren. Meister Shiu wusste das. Sollte er sie nach all den Jahren so wenig kennen, dass er ihrem Wort nicht vertraute?
Aber vermutlich war er genau wie alle mächtigen Männer, für die es nur eine Maxime gab: Wenn du nicht für mich bist, dann bist du gegen mich. Bei den Neun Drachen konnte man nicht einfach kündigen. Seit ihrem Ausstieg war sie automatisch ein Feind. Dass sie nur in Ruhe ihr eigenes Leben leben wollte, zählte nicht.
»Gibt es noch andere?«, fragte Chin-Li.
»Nein, ich arbeite allein!«
Kaum merklich lockerte Chin-Li den Griff.
»Wirklich, ich schwöre es! Zumindest gibt es keine, von denen ich weiß.«
»Wann hast du mich aufgespürt?«
»Gestern. Es war ein reiner Zufall, ich…«
»Wissen sie es schon?«
Johnny nickte heftig. »Ich habe es ihnen sofort gemeldet. Meister Shiu wollte umgehend informiert werden.«
»Gut, das reicht mir. Beenden wir das hier…«
»Nein! Du hast es versprochen…«
Bevor Johnny Chu weitersprechen konnte, packte Chin-Li ihn an der Brust und schleuderte ihn aufs Dach. Mit einem Handkantenschlag schickte sie den Drachendiener wieder ins Land der Träume. Johnny würde beim Erwachen höllische Kopfschmerzen haben, aber er würde leben. Das war mehr, als er eigentlich erwarten durfte.
Nachdenklich blickte Chin-Li auf die Stadt hinunter, die ihre neue Heimat hatte
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