0815 - Die Schlangenschwester
konnte? Oder - Liebe? Liebte er Diana immer noch, nach allem, was geschehen war? Nach all seinen Erfahrungen in Caermardhin? Konnte er sie überhaupt noch lieben? Durfte er es? Hatte er Zeit dafür, oder musste er nicht vielmehr…
»Du bist gekommen, um mir zu sagen, dass du deinen eigenen Weg gehen musst«, riss sie ihn aus seinen Gedanken.
Er schüttelte schwach den Kopf. »Ich habe darüber nachgedacht«, antwortete er leise. »Ich muss so ehrlich zu dir sein, das zuzugeben. Aber ich sehe es nicht als eine reale Möglichkeit an. Ich werde kein bloßes Werkzeug höherer Mächte und mein Recht auf Eigenbestimmung und ein eigenes Leben aufgeben.«
Vor seinen Augen verschwamm Dianas schmales Gesicht und nahm die Kontur Johannas an. Seine Blüte, die er über alles geliebt hatte, damals, vor Hunderten von Jahren. Johanna, die er gezwungen gewesen war zu töten, weil sie sich in eine seelenlose Vampirkreatur verwandelt hatte…
Andrew zwinkerte, und die Erscheinung verschwand. Liebte er Diana so, wie er Johanna geliebt hatte? Er war davon überzeugt gewesen, in den wenigen Wochen, die ihnen gemeinsam gegönnt gewesen waren. Doch jetzt war er sich unschlüssig.
»Ich liebe dich«, flüsterte er ihr zu und hoffte, dass es überzeugender klang, als er es tatsächlich fühlte.
***
Professor Zamorra ließ nur widerstrebend Nicoles Hand los. »Es wird Zeit«, murmelte er. »Andrew ist schon seit etwa einer Stunde bei Diana. Die Uhr tickt. Wir werden plangemäß in dreißig Minuten aufbrechen.«
»Schon seit einer Stunde?«, wiederholte Nicole skeptisch. »Ich würde sechzig Minuten nicht gerade als eine lange Zeitspanne ansehen, nachdem du, mein Herzensprofessor, für fünf Monate in irgendeinem mystischen Schloss verschwunden warst.«
»Herzensprofessor?« Zamorra grinste. »So hast du mich ja noch nie genannt.«
»Ich bin eben immer für Überraschungen gut.«
»Ansonsten weißt du so gut wie ich, dass es Zeiten gibt, in denen unser Privatleben zurückstehen muss.«
»Davon können wir beide allerdings ein Lied singen.«
»Eine Ode mit etwa 815 Strophen«, meinte Zamorra.
»Wie kommst du gerade darauf?«
Doch ehe Zamorra antworten konnte, klopfte es an der Tür. Auf ein rasches »Herein!« trat Andrew ein.
»Planänderung«, sagte er tonlos.
»Inwiefern?«, fragte Nicole.
Die Antwort trat eine Sekunde später ein.
»Ich komme mit«, kommentierte Diana Cunningham Andrews Ankündigung.
***
Sandrine starrte in den Wirbel aus Düsternis und Kälte, der sich vor ihr geöffnet hatte.
»Die Spalte nach Samila ist geöffnet«, kommentierte der Dämon lapidar. »Du kannst den Weg gar nicht verfehlen.«
Sandrine zögerte einen Moment. »Was soll ich tun, wenn deine Vermutung nicht zutrifft und ich sonst wo herauskomme? Wenn ich nicht in der Nähe des Phänomens lande, von dem du geredet hast?«
»Du wirst den Weg finden! Sperr deine Ohren auf und benutze deine Intelligenz, die ich dir gelassen habe!«
Sie warf einen Blick in den wirbelnden Schlund, dann atmete sie tief durch und schritt, die Arme eng an den Körper gelegt, auf das gestaltlose Etwas zu, das der Dämon Dimensionsriss genannt hatte. Ein Tor, das sie in die Welt Samila befördern würde.
»Vergiss deinen Auftrag nicht!«, schrie das Monstrum.
»Ich werde beobachten und versiegeln«, versicherte Sandrine, die designierte Königin der Clochards von Paris.
»Ich habe deine Erklärungen nicht vergessen.«
»Und wenn bereits etwas aus der dahinter liegenden Dimension nach Samila gelangt ist, bring es mir!«
Jetzt, da sie kurz davor stand, den entscheidenden Schritt zu wagen, durchzuckte Sandrine ein Gedanke. »Und wenn nicht etwas, sondern… jemand von dort gekommen ist?«
»Niemals!«, begehrte der Dämon auf. »Es gibt keinen Weg dort heraus! Nicht für Personen!«
»Und wenn doch?«, beharrte sie.
»Wenn doch, dann ist derjenige tot…«
»So tot, wie ich es im Grunde schon lange bin?«
»Du, meine Hübsche, bist untot, wenn auch auf eine ganz besondere Art und Weise! Jeder, der aus dem Bereich hinter Samila kommen würde, wäre nichts weiter als tot und doch lebendig. Aus sich heraus.« Ein unwilliges Zischen folgte. »Vergiss es! Es ist kompliziert und hat dich nicht zu kümmern!«
»Was soll ich mit einem solchen Jemand tun?«
»Stoße ihn zurück… oder bringe ihn zu mir. Mein Herr wird sich auf die Begegnung freuen.«
Sandrine schwieg. Sie wusste nicht, was sie mit den Andeutungen der schrecklichen Kreatur anfangen sollte. Also
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