0816 - Die Schattenfrau
geschlagen, er gehorchte allein den Gesetzen der Physik. Mir jedoch kam es vor, als würden ihn unsichtbaren Krakenarme in die Tiefe zerren, um ihn auf dem Grund zu zerschmettern.
Ich befand mich in einer ungünstigen schrägen Position. Durch die Bewegung und das Gewicht des Piloten kippte ich nach hinten, und diesmal waren keine Hände da, die mich stützten. Ich tauchte unter und befand mich plötzlich in einer gläsernen Welt, die allerdings vom Schatten des kippenden Hubschraubers durchzogen wurde. Den Mann hielt ich noch immer fest. Ich trampelte mit den Beinen, weil ich aus diesem Bereich des Pools wegkommen wollte.
Er war mir einfach zu gefährlich. Ich wollte nicht zerquetscht werden oder ertrinken.
Es war ungemein mühsam für mich. Das Schwimmen bedeutete Kampf. Ich hatte zuvor nur flach einatmen können, brauchte also sehr früh Luft.
Weg von diesem verdammten Schatten, nur weg! Ich sah nichts, hörte nichts, nur das Gewicht des Piloten haftete wie eine Bleiplatte an mir.
War es zu schaffen?
Luft! Verdammt, ich brauche Luft. Ich musste hoch. In der Kehle hatte sich ein wahnsinniger Druck ausgebreitet, der auch meinen Kopf erfasste. Dort bildeten sich Schatten, sie tanzten vor meinen Augen, nahmen Farben an.
Ich dachte plötzlich daran, dass schon zahlreiche Menschen in einem Pool ertrunken waren. Aber hier waren Helfer in der Nähe.
Männer, die mich unterstützen konnten.
Warum kam niemand? Warum unterstützte man mich nicht.
Trotz des Luftmangels überkam mich plötzlich ein gewaltiger Hass.
Die Gesichter der Helfer erschienen als grinsende Fratzen vor meinen Augen, auch Clifford Tandy befand sich darunter.
Sie alle lachten mich aus und freuten sich auf meinen Tod. Sie waren keine Freunde, sie…
Weshalb ging alles so leicht? Ich schwebte davon, das Gewicht des Piloten war nicht mehr zu spüren. Etwas platzte in meinem Kopf. Meldete sich so der Tod?
Im nächsten Moment explodierte die Welt um mich herum.
***
Stimmen, Lichter, Farben, jemand packte mich an der Schulter und rüttelte mich. Kälte und Wärme zugleich. Jemand presste mir etwas gegen die Lippen. Automatisch öffnete ich den Mund und schluckte. Es war ein scharfes Zeug, das nach Kräutern schmeckte und in meinem Magen einen regelrechten Feuersturm verursachte.
Aber es half.
Ich kam wieder zu mir, öffnete die Augen. Ich sah die Männer, die mich umstanden und auf mich niederschauten, und spürte jetzt, dass ich auf dem Rücken lag, unter mir eine Liege. Ich atmete, schnell und keuchend und mit offenem Mund. Mir war nicht übel, ich hatte kein Wasser geschluckt, und allmählich ließ auch der Druck in meinem Kopf nach. Ich hatte eben zu lange die Luft angehalten, und die Helfer waren buchstäblich im letzten Augenblick erschienen.
Kommissar Feisal setzte sich auf die Liege, etwa in Höhe meiner Hüfte. Er nickte mir zu. Dabei verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln. »Sie haben es überstanden, Mr. Sinclair, gratuliere.«
»Danke«, murmelte ich schwach.
»Der Hubschrauber kippte, aber er war zu langsam für uns. Sonst hätte er sie begraben.«
»Und den Piloten gleich mit, wie?«
»Auch das.«
»Darf ich fragen, wie es ihm geht?«
»Er lebt, Mr. Sinclair, und er verdankt sein Leben Ihnen. Er ist durch den Aufprall bewusstlos geworden.«
Kommissar Hosni Feisal zog ein nachdenkliches Gesicht. Er war ein Mann, der etwas Ähnlichkeit mit dem jüngeren Omar Sharif hatte. Nur waren Feisals Bart und auch das Haar nur mit wenig Grau durchzogen und ansonsten pechschwarz. Markant in seinem Gesicht waren auch die braunen Augen. »Wissen sie, Mr. Sinclair, dass wir vor einem Rätsel stehen, was den Absturz anbelangt?«
»Ich kann es mir denken.«
Er legte die Hände gegeneinander. »Es war so. Wir hatten unser Ziel erreicht, schwebten über dem Garten, auch über dem Pool, und plötzlich bekamen wir einen Schlag, die Maschine sackte weg, und dann schüttelte uns der Aufprall durch. Wir hatten damit nicht gerechnet. Ich kann von Glück sagen, dass ich fast ohne einen Kratzer davongekommen bin. Das ist eigentlich unwahrscheinlich.«
»Freuen Sie sich.«
»Das tue ich auch.«
»Sie wollen natürlich von mir wissen, wie es passiert sein könnte, denke ich.«
»Natürlich.«
»Es war eine Frau.«
Feisal runzelte die Stirn. »Darf ich noch einmal nachhaken, bitte?«
»Ja, natürlich.«
»Diese Frau ist nicht zufällig dieselbe Person, von der Ihr Freund berichtete?«
»Doch.«
Feisals Augen sahen plötzlich traurig aus.
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