0817 - Luzifers Tränenbecher
Antwort, die ihm wohl nicht passte. »Nein, wir waren ja verabredet.«
»Richtig.«
»Ich wollte nichts von dir.«
Die Schattengestalt kicherte. »Ja, du wärst nie auf den Gedanken gekommen, dich mit mir zu treffen. Aber es gibt Situationen, da sollte man über den eigenen Schatten springen.«
»Ich bin es bereits. Einen derartigen Abend hätte ich mir auch anders vorstellen können, zumindest in netterer Begleitung und nicht in deiner Gesellschaft.«
»Du wirst anders darüber sprechen, wenn ich dir den Grund unseres Treffens mitgeteilt habe.«
»Um was geht es also?«
»Um einen Tränenbecher!«
Asmodis amüsierte sich, als er sah, wie ich nach Luft schnappte, bevor ich den Kopf schüttelte. »Noch einmal. Um einen Tränenbecher geht es?«
»Ja.«
»Der gefüllt ist?«
»Auch.«
»Mit Tränen?«
»Wir kommen der Sache näher, Sinclair.«
»Dann folgt die nächste Frage. Wer hat diese Tränen denn geweint? Du bestimmt nicht – oder?«
»Nein.« Asmodis bewegte sich zitternd auf der Stelle, was mir wiederum klarmachte, wie unsicher er sich selbst war. Dieser Tränenbecher konnte ihn in Schwierigkeiten bringen, sonst hätte er sich bestimmt nicht an mich gewandt. »Es ist sehr lange her, und die Menschen haben viele Legenden darum gestrickt.«
»Komm zur Sache!«
»Es war Luzifer, der die Tränenweinte, als man ihn in die Tiefe stürzte. Er hatte den ersten Kampf verloren, er trauerte darüber, aber es gab Freunde, die seine Tränen in einem Gefäß auffingen, wo sie zu sieben Perlen kristallisierten. Das ist im Prinzip alles.«
»Und ich soll es dir glauben?«
»Du wirst es müssen.« Er lachte mich an. »Niemand hat mehr mit Luzifers Tränenbecher gerechnet, aber er ist wieder aufgetaucht. Er hat die Zeiten überdauert.«
»Hast du ihn geholt?«
»Wäre ich sonst hier?«
Ich hatte schnell geschaltet. »Das heißt, du würdest ihn gern in deinen Besitz bringen.«
Sein Gesicht leuchtete plötzlich heller. Auf den Lippen sah ich ein faunisches Lächeln, dann nickte er. »Sicher hätte ich den Becher gern. Er ist sehr wertvoll.« Ich wollte etwas sagen, doch er redete schnell weiter. »Und er darf keinesfalls in die falschen Hände geraten, verstehst du?«
»Nein.«
»Ach, Sinclair, vergessen wir mal, was wir miteinander haben oder nicht haben. Wir stehen auf zwei verschiedenen Seiten, wir werden uns nie einigen können, du spielst dein Spiel, ich das meine. Du hast mir oft genug Ärger bereitet, du hast selbst Cigam nicht richtig zum Zug kommen lassen, und ich würde dich gern tot sehen. Verbrannt und verschmort zu Asche, das wäre schön.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Aber es gibt manchmal Dinge, die man nicht so rasch überblicken kann.«
»Welche?«
»Der Tränenbecher. Es wäre gut, wenn ich ihn in meinem Besitz hätte, Sinclair.«
»Und weshalb wäre das gut?«
»Für alle.«
»Verdammt noch mal, das ist mir zu wenig. Was ist los? Ich will Bescheid wissen.«
»Jemand hat den Becher in seinen Besitz gebracht.«
Ich hatte geahnt, dass es darauf hinauslaufen würde. »Aha, du hast mal wieder den Kürzeren gezogen.«
»In diesem Falle schon.«
»Jetzt brauchst du Hilfe.«
Asmodis rückte nicht so recht mit der Sprache heraus. »Das ist wohl zu viel gesagt, Sinclair. Hilfe schon, aber nicht so, wie du es meinst. Ich könnte selbst, aber…«
»Wer hat den Becher?« fragte ich.
»Eine Person, eine Frau. Sie hat ihn gefunden. Sie war schneller als ich. Ich glaube fest daran, dass du dich damit beschäftigen wirst, Sinclair. Dir wird kaum etwas anderes übrig bleiben.«
»Gesetzt den Fall, es trifft zu.«
»… wäre das wunderbar für uns. Dann müsstest du dir einen Gefallen tun und mir den Becher überlassen.«
Asmodis redete nicht mehr weiter, denn ich hatte ihn mit einem Blick bedacht, der ihm zeigte, dass ich ganz und gar nicht seiner Meinung war. Nein, das würde es nicht geben, er wusste es auch, wobei mich eine seltsames Gefühl überkam. Irgendetwas war da nicht mehr korrekt, falls man bei Asmodis überhaupt davon sprechen konnte. Er war die Person mit den zahlreichen Trümpfen in der Hinterhand, er redete zwar viel, aber er kam nie mit der gesamten Wahrheit heraus. Ich sollte für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen und mich um eine weibliche Person kümmern, die angeblich den Tränenbecher besaß. Er selbst traute sich nicht an sie heran, weil dieses Wesen zu stark für ihn war. Wenn das stimmte, musste es eine Person sein, die den Teufel nicht zu fürchten
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