0818 - Lilith, der Teufel und ich
Ort hier.
Tief und laut atmete er aus. Öffnete die Augen, sah die Trümmerhügel und kam sich vor wie ein Mensch, der sich von der übrigen Welt versteckt hielt. Das musste auch so gewesen sein. Die Welt wollte ihn nicht mehr, er hatte etwas getan, was er eigentlich nicht wollte, denn er war der Komplize eines Mörders geworden.
Harry Stahl – ein Killer?
Suko konnte sich das überhaupt nicht vorstellen.
Oder doch? Hatte er nicht auch seinen Freund John Sinclair niedergeschlagen, um Harry die Flucht zu ermöglichen?
Was wurde hier gespielt? In welch einem Kreislauf war er hineingeraten?
Suko war ehrlich zu sich selbst, und er gab zu, dass er sich verdammt mies fühlte. Nur mühsam schaffte er es, auf die Beine zu kommen. Sein Gesicht war mit Schweiß und Staub bedeckt. Auch von seiner Lippe war das Blut noch nicht verschwunden. Die Tropfen quollen noch immer aus den kleinen Wunden nach, und er merkte, wie über seinen Rücken hinweg Schweißperlen in längeren Bahnen liefen.
Er ging mit etwas unsicheren Schritten weiter. Seine Arme pendelten zu beiden Seiten des Körpers. Manchmal tanzten die Trümmerhügel vor seinen Augen. Es schien keine Sonne, aber die Wärme war trotzdem vorhanden. Sie lag wie eine dichte, schwüle Decke über der Stadt, durch die Suko sich seinen Weg bahnte.
Er musste Acht geben, dass er nicht über irgendwelche Hindernisse stolperte. Manchmal stützte er sich auch mit den Händen ab.
Er hörte den Verkehrslärm, und diese Geräusche sagten ihm, dass er sich mitten in Leipzig befinden musste.
Am Rande des Grundstücks blieb er stehen. Es war abgeteilt worden. Ein provisorischer Zaun sollte Unbefugte davon abhalten, es zu betreten.
Suko schaute auf einen Gehsteig, sah dahinter eine Straße und weiter entfernt Bäume stehen.
Autos passierten ihn. Die Schlange aus Blech wurde nur dann unterbrochen, wenn die Fahrzeuge durch einen Ampelstopp dazu gezwungen wurden. Suko unternahm noch keinen Versuch, die Straße zu überqueren. Unschlüssig stand er an deren Rand, denn er wollte sein weiteres Vorgehen zunächst genau abchecken.
Die bösen Geister der Erinnerung hatte er zunächst vertrieben. Er musste jetzt an die Zukunft denken, und er musste vor allen Dingen den Kontakt zu seinen Freunden finden, wobei er John Sinclair an die erste Stelle setzte. Schon jetzt fragte er sich, wie er dem Geisterjäger seine Tat erklären sollte.
Er konnte es nicht.
Eine andere Macht war über ihn gekommen und hatte ihn voll und ganz kontrolliert.
Wie sie auch Harry Stahl unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Ein guter Polizist war zu einem eiskalten Killer geworden. Das wollte nicht in den Kopf des Inspektors.
Er drehte sein Gesicht dem Wind zu, damit ihm dieser die letzten negativen Gedanken wegblies, denn ein dumpfer Druck lastete nach wie vor unter der Schädeldecke.
Immer wieder musste er an die schöne, dunkelhaarige Frau denken. Jetzt fiel ihm auch wieder der Name ein. Isabell Munro hatte sie geheißen. Aber sie war nicht nur diese Isabell. Hinter ihr verbarg sich etwas anderes, etwas Unheimliches.
Suko schauderte zusammen. Er hatte bei dem Gedanken an Isabell das Gefühl, an der Grenze zu stehen. Er kam nicht mehr weiter, selbst seine Waffen halfen da nichts.
Er hatte es ja versucht, das Klicken durch den Einsatz der Dämonenpeitsche aufzuhalten. Nichts war ihm gelungen. Die andere Kraft hatte die Funktion seiner Waffe schlichtweg ausgeschaltet.
In der rechten Hosentasche fand Suko Geld. Die Summe war hoch genug, um ein Taxi bezahlen zu können, das ihn zu seinem Ziel brachte. Zwei standen zur Auswahl. Er hätte in das Hotel fahren können, in dem John und er wohnten, da war aber auch die Möglichkeit, zur Polizei zu fahren.
Er tendierte mehr dahin.
Taxis gab es nicht wie Sand am Meer. Suko musste schon suchen, bis er einen Fahrer gefunden hatte, der anhielt.
Nicht eben freundlich schaute er Suko an. Wahrscheinlich mochte er keine Asiaten.
»Wohin?« fragte er, noch bevor Suko eingestiegen war.
»Zum Polizeipräsidium.«
Der Fahrer sagte nichts mehr. Er nickte nur, ließ Suko einsteigen und gab Gas…
***
»Einen Kaffee können Sie gebrauchen, nehme ich an«, fragte Kommissar Gericke und schaute mich an.
Ich zeigte ein bissiges Grinsen und nickte. »Ja, da sprechen Sie mir aus der Seele.«
Den Kaffee hatte der Kommissar kurz vor meinem Eintreten gekocht. Aus dem Schrank holte er eine zweite Tasse, schenkte ein und blickte mich dabei an.
Er sah einen Mann vor sich, der in
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