0818 - Lilith, der Teufel und ich
Sie wurde dunkler, bekam auch bestimmte Konturen, und einen Moment später verwandelte sie sich in eine Gestalt.
Vor ihm stand eine Frau.
Es war Isabell Munro!
***
Suko hatte das Gefühl, als wäre ihm der Kopf von einer Schrotladung geteilt worden. Vor Schmerzen stöhnte er und wälzte sich auf dem schmutzigen Boden herum, bis er mit dem Gesichtden Untergrund berührte, den Staub schmeckte und auch merkte, dass etwas. Scharfes in seine Lippen hineinschnitt, als wären es kleine Steine oder Glas.
Die Unterlippe fing an zu bluten, und der Inspektor drehte sich wieder um.
Auf dem Rücken blieb er liegen. Die Lippen erhielten ein Muster aus roten Punkten, die nicht an ihrem Ursprungsort blieben, sondern den Weg am Kinn entlang nach unten fanden.
Suko hielt die Augen weit offen. Er starrte in die Höhe und gegen einen mit grauen Wolken bedeckten Himmel. Die Wolken ballten sich in unterschiedlicher Höhe zusammen und wirkten an den Rändern manchmal, als wären sie dort mit einer Pinzette gezupft worden.
Er lag im Freien!
Er befand sich… ja, wo eigentlich?
Zumindest an einem Ort, der von Menschen verlassen war, denn um ihn herum lagen Schuttberge, die von den Häusern stammten, die der Abrissbirne zum Opfer gefallen waren. Kantige Hügel mit kleinen Tälern, und in eines dieser Täler war Suko hineingekrochen, ohne dass er wusste, weshalb er es getan hatte.
Es gelang ihm, sich problemlos aufzurichten. Er fühlte sich auch nicht matt, bis auf den Zustand seines Kopfes, in dem ein permanentes Dröhnen blieb, als wollte ihm jemand eine Botschaft vermitteln, damit aber nicht richtig durchkam.
Noch stellte er sich nicht hin. Er fand einen passenden Stein, benutzte ihn als Sitzplatz und lehnte sich zurück. Mit dem Rücken stieß er gegen einen Widerstand, den er als Lehne benutzte. Mit einem Taschentuch tupfte er das Blut von seiner Unterlippe, schaute dann nach vorn auf das Gestein des nächsten Hügels.
Was war geschehen?
Suko wollte sich erinnern, doch es klappte kaum, denn in seinem Kopf befand sich eine Sperre. Und das intensive Nachdenken war mit schmerzenden Stichen verbunden. Doch wo andere Menschen aufgaben, machte Suko weiter. Er dachte nicht daran, jetzt zu kapitulieren. Er war ein freier Mensch, und er hasste es, unter der Kontrolle einer anderen Macht zu stehen, deshalb zählte er zu den Menschen, die auf keinen Fall aufgaben.
Auch nicht in einer Lage wie dieser.
Er dachte daran, was ihm in seiner Jugend gelehrt worden war.
Die Mönche hatten ihm beigebracht, mit den Unbillen des Lebens fertig zu werden. Sie hatten ihm gezeigt, wie sie überwunden werden konnten. Mit Meditation und dem Besinnen auf sich selbst und seiner eigenen Kraft musste es zu schaffen sein.
Suko kam jetzt dieser Ort zu Gute. Hier wurde er nicht gestört, denn wer trieb sich schon auf einem Abrissgelände herum?
Er konzentrierte sich sehr stark. Die Vergangenheit war wichtig.
Die jüngste, denn damit hatte alles begonnen. Sie hatte ihn in diesen Zustand getrieben, und durch sie war er auch an diesen verdammten Ort gelangt.
Was in seinem Kopf tobte, waren keine normalen Schmerzen, die er durch einen Schlag erhalten hatte. Suko empfand ihn als Druck, der von einer anderen Macht ausgeübt wurde, und allein dagegen kämpfte er an.
Er riss Löcher.
Er trieb die Schmerzen zurück. Seine Kraft gegen die andere. Es musste einen Sieger geben. Suko gewann.
Allmählich lichtete sich das Grau, verlor der Nebel seine Dicke.
Erste Löcher entstanden, und Suko schaffte es, hinter die Wand zu schauen, wo sich einige Bilder abmalten, die ihm zwar fremd vorkamen, gleichzeitig wiederum vertraut waren.
Ein Hof, ein Gebäude, mehr ein Lager. Vollgestopft mit Antiquitäten. Eine Frau, seine Freunde John Sinclair und Harry Stahl, das ungewöhnliche Geräusch zusammenprallender Kugeln – das alles drang wieder zu ihm nach oben.
Dann das Licht, grell und alles überdeckend. Das Gefühl, von einer anderen Macht in die Unendlichkeit gezerrt zu werden, hinein in eine Röhre, die ihn schließlich wieder ausspie. Sie hatten den Bau verlassen, hatten einen Mann im schwarzen Mantel getroffen, und ihn hatte Harry Stahl erschossen.
Einfach so.
Und Suko hatte seinen Freund John Sinclair einen Augenblick später niedergeschlagen.
Was danach folgte, verschwand wieder in einem diffusen Nebel.
Er war zusammen mit Harry geflohen, sie waren in die Stadt gefahren. Harry hatte ihn dann aus dem Wagen gelassen, und er war allein gelaufen, bis zu diesem
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