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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sky
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Männer standen am Ufer, leicht nach vorn gebeugt, und versuchten, den Nebel mit ihren Blicken zu durchdringen. Ein Mann mit schwarzer Kappe, Taucherbrille und Sauerstoffgerät schleppte etwas Helles ans Ufer.
    „Mein Gott, sie haben sie gefunden!“ sagte Anne.
    „Wir haben sie, Kommissar!“ rief der Taucher.
    Wahlgahn und Daub beugten sich weit vor, packten die Leiche des Mädchens und zogen sie ans Ufer. Der Kommissar nahm ihr einen Weißen Stoffetzen aus den Fingern. Er mußte sie zu diesem Zweck aufbiegen, da Lydia beide Hände zu Fäusten geballt hatte.
    „Mein Gott, Schwab!“ stöhnte Anne Bloom und klammerte sich an den Arm des Kollegen. „Wie sollen wir das den Eltern nur beibringen?“
    Er antwortete nicht, weil er nicht wußte, was er sagen sollte. Er war ebenso erschüttert wie sie. Bis zu diesem Moment hatte er gehofft, daß sich alles noch zum Guten wenden würde. Jetzt aber lag das tote Mädchen vor ihm, und das Schreckliche war Gewißheit geworden.
    „Wer immer dafür verantwortlich ist“, sagte er leise. „er soll dafür büßen.“
    „Wir bringen das Mädchen ins Schloß und überführen sie morgen in das gerichtsmedizinische Institut. Ich will wissen, ob es wirklich ertrunken ist oder ob jemand dabei nachgeholfen hat“, erklärte Kommissar Wahlgahn. Er wandte sich an Anne Bloom und Dr. Schwab. „Sie sollten endlich zu Bett gehen. Es hilft uns auch nicht weiter, wenn Sie die ganze Nacht aufbleiben.“
    Anne nickte. Sie war so müde, daß sie die Augen kaum noch aufhalten konnte. Dennoch wußte sie, daß sie so bald nicht einschlafen würde.
    „Ich werde Frau von Stöckingen benachrichtigen“, sagte Dr. Schwab.
    Er blickte Anne an. Gemeinsam kehrten sie zum Schloß zurück.
    „Wenn ich Lydia doch nur aufgehalten hätte! Dann lebte sie vielleicht jetzt noch.“
    „Machen Sie sich keine Vorwürfe, Anne! Keiner von uns konnte wissen, daß sie ans Wasser gehen würde.“
    „Glauben Sie, daß sie – Selbstmord begangen hat?“
    Er hob hilflos die Schultern. „Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber ich frage mich natürlich, wie Lydia so unvorsichtig sein konnte. Sie wußte doch, daß sie nicht schwimmen kann und der Fluß gerade an dieser Stelle tief ist.“
    „Wir sollten dafür sorgen, daß alle Mädchen schon morgen nach Hause fahren“, sagte Anne Bloom. „Ich finde, wir können es nicht verantworten, daß sie noch länger hierbleiben.“
    „Damit wird Frau von Stöckingen kaum einverstanden sein. Wenn sie die Mädchen abreisen läßt, gibt sie doch zu, daß hier einiges nicht in Ordnung ist. Das aber kann sie sich nicht leisten. Der Ruf des Pensionats würde gar zu sehr leiden.“
    „Aber wir müssen es wenigstens versuchen.“
    Er nickte.
     

     
    Sie blickten in den Speisesaal, weil dort Licht brannte. Dr. Emil Lohmann saß an einem der Tische und las in der Schloßchronik. Er hatte eine große Kanne Kaffee vor sich und rauchte eine Zigarre. Zunächst bemerkte er Anne Bloom und Dr. Schwab nicht, weil er gar zu sehr mit seiner Lektüre beschäftigt war. Erst als sie unmittelbar neben ihm standen, blickte er auf.
    „Oh, welch reizendes Paar!“ sagte er. „Haben Sie einen kleinen Spaziergang gemacht?“
    „Die Polizisten haben Lydia gefunden. Sie ist ertrunken.“
    „Wie schrecklich!“
    Lohmann war ehrlich betroffen. Anne konnte es ihm ansehen. Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
    „Haben Sie es Frau von Stöckingen schon gesagt?“ fragte er schließlich.
    „Ich gehe jetzt zu ihr.“
    „Tun Sie das!“
    Dr. Schwab ging.
    Anne Bloom zeigte auf die Kaffeekanne. „Darf ich?“
    „Natürlich.“
    Lohmann sprang eilfertig auf und schlurfte zum Büfett, um ihr eine Tasse zu holen. Er suchte nach Worten, fand jedoch keine und setzte sich schweigend neben die junge Lehrerin und schenkte ihr Kaffee ein. Sie trank ihn in kleinen Schlucken.
    „Es kann auch alles eine Verkettung unglücklicher Zufälle sein“, erklärte er schließlich.
    Anne schüttelte den Kopf und deutete auf die Chronik. „Ich glaube, Sie wissen genau, daß es keine Zufälle sind.“
    Er beugte sich vor. Seine Augen leuchteten. „Ich habe herausgefunden, daß der Graf Hugo von Groningen einen eigenen Henker hatte. Er ließ ihn ein- oder zweimal im Jahr auf das Schloß heraufkommen, wenn es etwas zu tun gab. Wurde kein Mensch vom Leben zum Tode befördert, so mußte der Henker wenigstens die Folterkammer auf Vordermann bringen.“
    „Ist das alles so wichtig?“ fragte Anne

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